Das Schwert der Vorsehung
Und wenn sie es sogar wollte, na und? Ein kleines Opfer, ein sehr kleines Opfer, sie ist ja schön und begehrenswert ... Wenn sie mehr wollte ... Das wird sie beruhigen. Ein stiller, ruhiger, sanfter Liebesakt. Aber ich ... Mir ist ja alles gleich, denn Essi riecht nach Eisenkraut, nicht nach Flieder und Stachelbeeren, sie hat keine kühle, elektrisierende Haut, Essis Haare sind kein schwarzer Tornado glänzender Locken, Essis Augen sind schön, weich, warm und blau, sie brennen nicht in kaltem, leidenschaftslosem, tiefem Violett. Essi wird danach einschlafen, wird den Kopf abwenden, den Mund leicht öffnen, Essi wird nicht triumphierend lächeln. Denn Essi ...
Essi ist nicht Yennefer.
Und darum kann ich nicht. Ich kann dieses kleine Opfer nicht über mich bringen.
»Ich bitte dich, Essi, wein nicht.«
»Ja.« Sie rückte sehr langsam von ihm ab. »Ich werd nicht weinen. Ich verstehe. Anders kann es nicht sein.«
Sie schwiegen, saßen nebeneinander auf dem mit Bohnenstroh gefüllten Strohsack. Es wurde Abend.
»Geralt«, sagte sie plötzlich, und ihre Stimme zitterte. »Aber vielleicht ... Es könnte vielleicht so sein ... wie mit dieser Muschel, mit diesem seltsamen Geschenk? Vielleicht würden wir die Perle doch noch finden? Später? Nach einer Zeit?«
»Ich sehe diese Perle«, zwang er sich zu sagen. »In Silber gefasst, in eine silberne Blüte mit kunstvollen Blättchen. Ich sehe sie an deinem Halse, an einer silbernen Kette, so getragen, wie ich mein Medaillon trage. Das wird dein Talisman sein, Essi. Ein Talisman, der dich vor allem Bösen beschützt.«
»Mein Talisman«, wiederholte sie und senkte den Kopf. »Meine Perle, die ich in Silber fassen werde, von der ich mich niemals trennen werde. Mein Juwel, das ich als Ersatz bekommen habe. Ob so ein Talisman Glück bringen kann?«
»Ja, Essi. Sei dessen gewiss.«
»Kann ich noch hier sitzen bleiben? Bei dir?«
»Ja.«
Die Dämmerung kam und die Dunkelheit senkte sich herab, und sie saßen auf dem Sack voll Bohnenstroh, in dem Dachkämmerchen, wo es keine Möbel gab, wo nur der Zuber stand und eine nicht angezündete Kerze in einer Pfütze von erstarrtem Wachs.
Sie saßen in tiefem Schweigen da, in der Stille, sehr lange. Und dann kam Rittersporn. Sie hörten ihn kommen, wie er auf der Laute klimperte und vor sich hin sang. Rittersporn kam herein, bemerkte sie und sagte nichts, kein einziges Wort. Ebenfalls wortlos stand Essi auf und ging, ohne sie anzusehen.
Rittersporn sagte kein Wort. Doch der Hexer sah in seinen Augen die Worte, die nicht fielen.
VIII
»Eine vernunftbegabte Rasse«, wiederholte Agloval nachdenklich, den Ellenbogen auf die Sessellehne gestützt und das Kinn auf die Hand. »Eine Unterseezivilisation. Fischmenschen, die am Meeresgrund leben. Eine Treppe, die in die Tiefe führt. Geralt, du hältst mich für einen verdammt leichtgläubigen Fürsten.«
Äuglein, die neben Rittersporn stand, schnaubte zornig. Rittersporn schüttelte ungläubig den Kopf. Geralt blieb völlig unbewegt.
»Es ist mir egal«, sagte er leise, »ob du mir glaubst oder nicht. Es ist aber meine Pflicht, dich zu warnen. Ein Boot, das sich den Drachenhauern nähert, oder Menschen, die bei Ebbe dort auftauchen, sind einem Risiko ausgesetzt. Einem tödlichen Risiko. Wenn du nachprüfen willst, ob das wahr ist, wenn du das Risiko eingehen willst, ist es deine Sache. Ich warne dich einfach.«
»Ha«, ließ sich plötzlich der Vogt Zelest vernehmen, der hinter Agloval auf dem Fenstersims saß. »Wenn das Ungeheuer so wie Elfen und andere Kobolde sind, vor denen haben wir keine Angst. Ich befürchte, es ist etwas Schlimmeres, womöglich, bewahren die Götter, etwas Verzaubertes. Nach dem, was der Hexer sagt, sind das so eine Art Meernixen. Gegen Nixen gibt es Mittel. Mir ist zu Ohren gekommen, dass ein Zauberer im Handumdrehen mit den Nixen im Mokva-See fertig geworden ist. Er hat ein Fässchen Zauberfiltrat ins Wasser gekippt, und aus war’s mit den beschissenen Nixen. Sind spurlos verschwunden.«
»Stimmt«, meldete sich Drouhard zu Wort, der bis dahin geschwiegen hatte. »Sie sind spurlos verschwunden. Wie auch die Brassen, Hechte, Krebse und Teichmuscheln. Es ist sogar die Wasserpest am Grunde verfault, und am Ufer sind die Erlenhaine verdorrt.«
»Großartig«, höhnte Agloval. »Danke für den erstklassigen Vorschlag, Zelest. Hast du vielleicht noch mehr davon?«
»Nun ja, es ist wohl wahr.« Der Vogt lief rot an. »Der Zauberer hat den Bogen ein
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