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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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denn ich begriff, dass mich danach verlangte ... dass mich danach verlangte, in deiner Gewalt zu sein. Aber die Wirklichkeit hat sich als schrecklicher erwiesen. Du hast keinen Bann auf mich gelegt, keinerlei Zauber angewandt. Warum, Geralt? Warum hast du mich nicht verzaubert?«
    Er schwieg.
    »Wenn es Magie wäre«, fuhr sie fort, »dann wäre alles einfach und leicht. Ich würde deiner Macht unterliegen und wäre glücklich. So aber ... Ich muss ... Ich weiß nicht, was mit mir los ist ...«
    Zum Teufel, dachte er, falls Yennefer, wenn sie mit mir zusammen ist, sich so fühlt wie ich jetzt, dann hat sie mein Mitleid. Und ich werde mich nie mehr wundern. Nie mehr werde ich sie hassen ... Niemals.
    Denn vielleicht fühlt Yennefer, was ich jetzt fühle, die restlose Gewissheit, dass ich nun etwas erfüllen muss, was nicht zu erfüllen ist, was zu erfüllen noch unmöglicher ist als die Verbindung zwischen Agloval und Sh’eenaz. Die Gewissheit, dass ein kleines Opfer nicht genügen würde, dass man alles opfern müsste, und auch dann wäre nicht klar, ob es genügt. Nein, ich werde Yennefer nicht mehr dafür hassen, dass sie mir nicht mehr als ein kleines Opfer bringen kann und will. Jetzt weiß ich, dass ein kleines Opfer ungeheuer viel ist.
    »Geralt«, stöhnte Äuglein, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. »Ich schäme mich so. Ich schäme mich dessen, was ich fühle, was wie so eine verdammte Krankheit ist, wie eine Erkältung, wie Atemnot ...«
    Er schwieg.
    »Ich dachte immer, das sei ein schöner und erhabener Seelenzustand, edel und ehrenhaft, sogar wenn er unglücklich macht. Ich habe so viele Balladen über dergleichen gedichtet. Aber es ist organisch, Geralt, gemein und durch und durch organisch. So kann sich ein Kranker fühlen, jemand, der Gift getrunken hat. Denn wie jemand, der Gift getrunken hat, ist man für ein Gegengift zu allem bereit. Zu allem. Sogar zur Erniedrigung.«
    »Essi. Ich bitte dich ...«
    »Ja. Ich fühle mich erniedrigt, davon, dass ich dir alles gestanden und dabei die Schicklichkeit vergessen habe, die verlangt, schweigend zu leiden. Davon, dass ich dich mit meinem Geständnis in eine schwierige Situation gebracht habe. Ich fühle mich davon erniedrigt, dass du in einer schwierigen Situation bist. Aber ich konnte nicht anders. Ich bin machtlos. Dem guten Willen ausgeliefert wie jemand, der mit einer Krankheit darniederliegt. Ich habe immer Angst vor der Krankheit gehabt, vor dem Augenblick, da ich schwach sein würde, machtlos, ratlos und einsam. Ich habe immer Angst vor der Krankheit gehabt, habe immer geglaubt, Krankheit wäre das Schlimmste, was mir zustoßen kann ...«
    Er schwieg.
    »Ich weiß«, stöhnte sie abermals. »Ich weiß, dass ich dir dankbar sein muss, dass du ... dass du die Situation nicht ausnutzt. Aber ich bin dir nicht dankbar. Dessen schäme ich mich auch. Denn ich hasse dieses dein Schweigen, diese deine entsetzten Augen. Ich hasse dich. Dafür, dass du schweigst. Dafür, dass du nicht lügst, dass du ... Und sie hasse ich auch, diese deine Zauberin, ich würde ihr gern das Messer in den Leib rammen, dafür, dass sie ... Ich hasse sie. Schick mich weg, Geralt. Befiehl mir fortzugehen. Denn selbst, aus eigenem Willen, kann ich es nicht, dabei will ich hier fort, in die Stadt, in ein Gasthaus ... Ich will mich an dir für meine Scham rächen, für meine Erniedrigung, mit dem Erstbesten ...«
    Verflucht, dachte er, zu hören, wie ihre Stimme wegsackt wie ein Lumpenbällchen, das die Treppe hinabkullert. Sie wird losheulen, dachte er, keine Frage, sie wird losheulen. Was tun, verdammt, was tun?
    Die gekrümmten Schultern Essis begannen heftig zu beben. Das Mädchen wandte den Kopf ab und begann zu weinen, ein leises, erschreckend ruhiges, unaufhaltsames Weinen.
    Ich fühle nichts, stellte er mit Entsetzen fest, nichts, nicht die mindeste Rührung. Dass ich jetzt den Arm um ihre Schultern lege, ist eine durchdachte Geste, abgewogen, nichts Spontanes. Ich umarme sie, weil ich spüre, dass es sein muss, nicht, weil ich es will. Nichts fühle ich.
    Als er sie umarmte, hörte sie sofort zu weinen auf, wischte die Tränen weg, wobei sie heftig den Kopf schüttelte und sich abwandte, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Und dann schmiegte sie sich heftig an ihn, den Kopf an seine Brust gepresst.
    Ein kleines Opfer, dachte er, nur ein kleines Opfer. Das wird sie schließlich beruhigen, eine Umarmung, ein Kuss, ein sanftes Streicheln ... Mehr will sie nicht.

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