Das Schwert der Vorsehung
beginnt.«
»Nein, Eithné«, sagte er und stand auf. »Es tut mir leid, dass ich dir das Konzept verderbe, aber ich habe nicht vor, dabei zuzuschauen. Du bist ein wenig zu weit gegangen, Herrin des Brokilon, um den Abgrund zu verdeutlichen, der zwischen uns klafft. Ihr, das Ältere Volk, sagt immer wieder gern, dass euch der Hass fremd sei, dass nur die Menschen dieses Gefühl kennen. Aber das ist nicht wahr. Ihr wisst, was Hass ist, und ihr seid imstande zu hassen, ihr zeigt es nur etwas anders, klüger und weniger heftig. Aber darum vielleicht grausamer. Ich nehme deinen Hass an, Eithné, im Namen aller Menschen. Ich habe ihn verdient. Es tut mir leid um Morénn.«
Die Dryade antwortete nicht.
»Und ebendas ist die Antwort des Brokilon, die ich Venzlav von Brugge überbringen soll, nicht wahr? Warnung und Herausforderung? Ein anschaulicher Beweis des zwischen diesen Bäumen schlummernden Hasses und der Macht, nach deren Willen in einem Augenblick ein Menschenkind ein die Erinnerung zerstörendes Gift trinken wird, das es aus der Hand eines anderen Menschenkindes nimmt, dessen Psyche und Erinnerung schon vernichtet sind? Und diese Antwort soll zu Venzlav der Hexer bringen, der beide Kinder kennt und liebgewonnen hat? Der Hexer, der am Tode deiner Tochter schuld ist? Gut, Eithné, es wird geschehen, wie du es willst. Venzlav wird deine Antwort hören, er wird meine Stimme hören, meine Augen sehen und alles aus ihnen lesen. Aber das, was hier geschehen wird, brauche ich mir nicht anzusehen. Und ich will es nicht.«
Eithné schwieg noch immer.
»Leb wohl, Ciri.« Geralt kniete nieder, drückte das Mädchen an sich. Ciris Schultern bebten heftig. »Wein nicht. Du weißt doch, Böses kann dir hier nicht geschehen.«
Ciri schniefte. Der Hexer stand auf.
»Leb wohl, Braenn«, sagte er zu der jüngeren Dryade. »Bleib gesund und gib acht auf dich. Überlebe, Braenn, lebe so lange wie dein Baum. Wie der Brokilon. Und noch eins ...«
»Ja, Gwynbleidd?« Braenn hob den Kopf, und in ihren Augen glänzte etwas feucht.
»Es tötet sich leicht mit dem Bogen, Mädchen. Es ist ja leicht, die Sehne loszulassen und zu denken, dass nicht ich das bin, nicht ich, sondern der Pfeil. An meinen Händenklebt das Blut jenes Burschen nicht. Der Pfeil hat ihn getötet, nicht ich. Und der Pfeil träumt nichts in der Nacht. Mögest du auch nachts nichts träumen, blauäugige Dryade. Leb wohl, Braenn.«
»Mona ...«, sagte Braenn undeutlich. Der Kelch, den sie in der Hand hielt, zitterte, die durchsichtige Flüssigkeit darin schlug Wellen.
»Was?«
»Mona!«, stöhnte sie. »Ich bin Mona! Frau Eithné! Ich ...«
»Genug«, sagte Frau Eithné scharf. »Genug. Beherrsche dich, Braenn.«
Geralt lächelte trocken.
»Du hast deine Bestimmung, Waldherrin. Ich achte deine Standhaftigkeit und deinen Kampf. Aber ich weiß, dass du bald schon allein kämpfen wirst. Die letzte Dryade des Brokilon, die Mädchen in den Tod schickt, die doch immer noch ihre wahren Namen wissen. Trotz allem, ich wünsche dir Glück, Eithné. Leb wohl.«
»Geralt ...«, flüsterte Ciri, die noch immer reglos dasaß, den Kopf gesenkt. »Lass mich nicht ... allein ...«
»Weißer Wolf«, sagte Eithné und umarmte die gekrümmten Schultern des Mädchens. »Musstest du warten, bis sie dich darum bittet? Darum, dass du sie nicht verlässt? Dass du bis zum Ende bei ihr ausharrst? Warum willst du sie in so einem Augenblick verlassen? Sie alleinlassen? Wohin willst du fliehen, Gwynbleidd? Und wovor?«
Ciri senkte den Kopf noch tiefer. Aber sie weinte nicht.
»Bis zum Ende.« Der Hexer nickte. »Gut, Ciri. Du wirst nicht allein sein. Ich bleibe bei dir. Hab keine Angst.«
Eithné nahm den Kelch aus den zitternden Händen Braenns, hob ihn hoch.
»Kannst du die Älteren Runen lesen, Weißer Wolf?«
»Ja.«
»Lies, was in den Kelch graviert ist. Das ist ein Kelch aus Craag An. Aus ihm haben Könige getrunken, an die niemand sich mehr erinnert.«
»Duettaeánn aef cirrán Cáerme Gláedyvv. Yn á esseath.«
»Weißt du, was das bedeutet?«
»Das Schwert der Vorsehung hat zwei Schneiden ... Die eine bist du.«
»Steh auf, Kind des Älteren Blutes.« In der Stimme der Dryade klirrte stählern ein Befehl, dem man sich nicht widersetzen, ein Wille, dem man sich nicht entziehen konnte. »Trink. Das ist das Wasser des Brokilon.«
Geralt biss sich auf die Lippen, den Blick auf die silbernen Augen Eithnés gerichtet. Er schaute Ciri nicht an, die langsam die Lippen dem
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