Das Schwert der Vorsehung
Natürlich wirst du keine Fürstin.«
»Natürlich«, warf der Hexer sauer ein. »Sowohl du, Eithné, als auch ich wissen genau, was sie wird. Ich sehe, das ist schon entschieden. Schade. Welche Antwort soll ich dem König Venzlav bringen, Herrin des Brokilon?«
»Keine.«
»Wie das, keine?«
»Keine. Er wird es verstehen. Schon vor langer Zeit, vor sehr langer Zeit, als Venzlav noch nicht auf der Welt war, sind Herolde an den Brokilon herangeritten gekommen, haben Hörner und Trompeten geblasen, haben Wimpel und Standarten aufgepflanzt. ›Unterwirf dich, Brokilon!‹, schrien sie. ›König Ziegenzähnchen von Kahlstein und Feuchtau verlangt, dass du dich unterwirfst, Brokilon!‹ Doch die Antwort des Brokilon war immer dieselbe. Wenn du meinen Wald verlassen wirst, Gwynbleidd, wende dich um und lausche. Im Rauschen der Blätter wirst du die Antwort des Brokilon hören. Überbring sie Venzlav und füge hinzu, dass er nie eine andere hören wird, solange Eichen in Duén Canell stehen. Solange hier auch nur ein Baum wächst und eine Dryade lebt.«
Geralt schwieg.
»Du sagst, dass etwas zu Ende geht«, fuhr Eithné langsam fort. »Das ist nicht wahr. Es gibt Dinge, die niemals zu Ende gehen. Du redest mir von Überleben? Ich kämpfe ums Überleben. Der Brokilon überdauert dank meinem Kampf, denn Bäume leben länger als Menschen. Du sprichst zu mir von Königen und kleinen Fürsten. Wer sind sie? Diejenigen, die ich kenne, sind weiße Skelette, die in den Nekropolen von Craag An liegen, dort in der Tiefe des Waldes. In Marmorgrüften, auf Stapeln gelben Metalls und glitzernder Steine. Aber der Brokilon dauert fort, die Bäume rauschen über den Ruinen der Paläste, die Wurzeln sprengen den Marmor. Erinnert sich dein Venzlav, wer diese Könige waren? Erinnerst du dich, Gwynbleidd? Und wenn nicht, wie kannst du dann behaupten, etwas gehe zu Ende? Woher weißt du, wem der Untergang vorherbestimmt ist und wem die Ewigkeit? Was berechtigt dich, von der Vorsehung zu sprechen? Weißt du wenigstens, was das ist, Vorsehung, Vorherbestimmung?«
»Nein«, gab er zu. »Ich weiß es nicht. Aber ...«
»Wenn du es nicht weißt«, unterbrach sie ihn, »dann gibt es kein Aber mehr. Du weißt es nicht. Du weißt es einfach nicht.«
Sie verstummte, legte die Hand an die Stirn, wandte das Gesicht ab.
»Als du zum ersten Mal hier warst, vor Jahren«, fuhr sie fort, »wusstest du es auch nicht. Aber Morénn ... Meine Tochter ... Geralt, Morénn lebt nicht mehr. Sie ist am Bandwasser umgekommen, als sie den Brokilon verteidigte. Ich habe sie nicht erkannt, als man sie brachte. Ihr Gesicht war von den Hufen eurer Pferde zermalmt. Vorherbestimmung? Und heute führst du, der Hexer, der Morénn kein Kind geben konnte, diese zu mir, das Kind des Älteren Blutes. Ein Mädchen, das weiß, was Vorherbestimmung ist. Nein, es ist kein Wissen, das dir gemäß wäre, das du akzeptieren könntest. Sie glaubt einfach. Wiederhole es, Ciri, wiederhole, was du mir gesagt hast, ehe dieser Hexer hereinkam, Geralt von Riva, der Weiße Wolf. Der Hexer, der es nicht weiß. Wiederhole es, Kind des Älteren Blutes.«
»Gnäd ... Edle Frau«, sagte Ciri mit brechender Stimme. »Halt mich nicht hier fest. Ich kann nicht ... Ich will ... nach Hause. Ich will mit Geralt nach Hause zurückkehren. Ich muss ... mit ihm ...«
»Warum mit ihm?«
»Weil er ... Er ist meine Vorherbestimmung.«
Eithné wandte sich ab. Sie war sehr blass.
»Und was sagst du dazu, Geralt?«
Er antwortete nicht. Eithné klatschte in die Hände. Ins Innere der Eiche, wie ein Geist aus der draußen herrschenden Finsternis hervor, kam Braenn. Sie trug mit beiden Händen einen großen silbernen Kelch. Das Medaillon am Halse des Hexers begann schnell, rhythmisch zu zucken.
»Und was sagst du dazu?«, wiederholte die silberhaarige Dryade und stand auf. »Sie will nicht im Brokilon bleiben! Sie wünscht keine Dryade zu sein! Sie will mir Morénn nicht ersetzen, will fortgehen, ihrer Vorherbestimmung folgen! Ist es so, Kind des Älteren Blutes? Ist es das, was du willst?«
Ciri nickte mit gesenktem Kopf. Ihre Schultern bebten. Der Hexer hatte genug.
»Warum quälst du dieses Kind, Eithné? In einem Augenblick wirst du ihr doch das Wasser des Brokilon geben, und was sie will, hat dann keinerlei Bedeutung mehr. Warum tust du das? Warum tust du es in meiner Gegenwart?«
»Ich will dir zeigen, was Vorherbestimmung ist. Ich will dir beweisen, dass nichts zu Ende geht. Dass alles erst
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