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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Ort.«
    »Ich habe keine Angst!«
    »Aber ich.«
    »Die Großmutter sagt, Hexer haben vor gar nichts Angst.«
    »Die Großmutter hat stark übertrieben. Auf den Weg, Ciri. Wenn ich nur noch wüsste, wo wir ...«
    Er schaute nach der Sonne.
    »Na, riskieren wir’s ... Gehen wir da lang.«
    »Nein.« Ciri rümpfte die Nase, zeigte in die entgegengesetzte Richtung. »Da. Dort.«
    »Und woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es.« Sie zuckte mit den Schultern, sah ihn aus smaragdgrünen Augen arglos und verwundert an. »Irgendwie ... Etwas, da ... Ich weiß nicht.«
    Pavettas Tochter, dachte er. Ein Kind ... Ein Kind des Älteren Blutes? Möglich, dass sie von der Mutter etwas geerbt hat.
    »Ciri« – er schnürte den Kragen auf, holte das Medaillon hervor –, »fass das an.«
    »Och.« Sie sperrte den Mund auf. »Das ist vielleicht ein schrecklicher Wolf. Hat der Zähne ...«
    »Fass ihn an.«
    »Oje!!«
    Der Hexer lächelte. Auch er hatte den heftigen Ruck des Medaillons gefühlt, die starke Welle, die die Silberkette entlanglief.
    »Er hat sich bewegt!«, stöhnte Ciri. »Bewegt!«
    »Ich weiß. Gehen wir, Ciri. Führe du.«
    »Das ist Zauberei, nicht wahr?«
    »Klar.«
    Es war, wie er vermutet hatte. Das Mädchen spürte die Richtung. Auf welche Weise, wusste er nicht. Aber schnell, schneller als erwartet, gelangten sie auf eine Straße, an einen gabelförmigen, dreiseitigen Scheideweg. Das war die Grenze des Brokilon – zumindest nach Ansicht der Menschen. Eithné, wie er sich erinnerte, erkannte sie nicht an.
    Ciri biss sich auf die Lippe, rümpfte die Nase, zögerte, schaute auf den Scheideweg, auf die sandigen, holprigen Straßen, von Hufen und Wagenrädern zerwühlt. Doch Geralt wusste schon, wo er sich befand, er musste und wollte sich nicht auf ihre unsicheren Fähigkeiten verlassen. Er schlug den Weg nach Osten ein, nach Brugge. Ciri, noch immer mit gerümpfter Nase, blickte auf den Weg nach Westen.
    »Da lang geht es zum Schloss Nastrog«, spottete er. »Hast du Sehnsucht nach Kistrin?«
    Das Mädchen murmelte etwas, folgte ihm gehorsam, schaute sich aber noch mehrmals um.
    »Was ist denn, Ciri?«
    »Ich weiß nicht«, flüsterte sie. »Aber das ist ein schlechter Weg, Geralt.«
    »Wieso? Wir gehen nach Brugge, zu König Venzlav, der in einem schönen Schloss wohnt. Wir werden baden, uns in einem Federbett ausschlafen ...«
    »Das ist ein schlechter Weg«, wiederholte sie. »Ein schlechter.«
    »Stimmt, ich habe schon bessere gesehen. Hör auf, eine schiefe Nase zu ziehen, Ciri. Lass uns gehen, hurtig.«
    Sie kamen an einer strauchbewachsenen Wegbiegung vorbei. Und es zeigte sich, dass Ciri recht hatte.
    Sie wurden plötzlich, rasch, von allen Seiten umringt. Männer mit spitzen Helmen, Kettenhemden und dunkelblauen Mänteln mit dem schwarz-goldenen Schachbrettmuster von Verden auf der Brust. Sie umzingelten sie, doch keiner kam näher, griff zur Waffe.
    »Woher und wohin?«, blaffte ein stämmiges Subjekt in abgewetzter grüner Kleidung, das sich breitbeinig vor Geralt aufgebaut hatte. Sein Gesicht war dunkel und faltig wie eine Backpflaume. Hinter seinem Rücken, weit überm Kopf, ragten ein Bogen und weißgefiederte Pfeile hervor.
    »Vom Rodfeld«, log der Hexer und drückte Ciri vielsagend die Hand. »Ich kehre nach Hause zurück, nach Brugge. Und?«
    »Im königlichen Dienst«, erklärte der Dunkelgesichtige höflicher, als hätte er erst jetzt das Schwert auf Geralts Rücken bemerkt. »Wir ...«
    »Her mit ihm, Junghans!«, schrie jemand, der ein Stück weiter auf der Straße stand. Die Söldner traten beiseite.
    »Schau nicht hin, Ciri«, sagte Geralt rasch. »Dreh dich weg. Schau nicht hin.«
    Auf der Straße lag ein gefällter Baum, der mit seiner Krone die Durchfahrt versperrte. Von dem angehauenen und gebrochenen Teil des Stammes leuchteten im Dickicht am Straßenrand lange weiße Splitter. Vor dem Baum stand ein Wagen, dessen Ladung mit einer Plane bedeckt war. Die kleinen, struppigen Pferde lagen am Boden, in Deichsel und Leinen verstrickt, mit Pfeilen gespickt, und bleckten die gelben Zähne. Eins lebte noch, atmete schwer, zuckte.
    Da waren auch Menschen, die in dunklen Pfützen von in den Sand gesickertem Blute lagen, über die Borde des Wagens hingen, neben den Rädern zusammengebrochen waren.
    Aus der Ansammlung der Bewaffneten kamen langsam zwei hervor, dann schloss sich ihnen ein Dritter an. Die restlichen – es waren ungefähr zehn – standen reglos da und hielten ihre

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