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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Augen.
    Wieder seine Stimme, im Dunkel, in Finsternis, in der alles versinkt. Da sind nur die Feuer, Feuer bis zum Horizont. Belleteyn! Die Mainacht! Aus den Rauchschwaden schauen dunkle, veilchenblaue Augen, die in einem blassen, dreieckigen Gesicht brennen, umrahmt von einem gewellten Sturm von Locken.
    Yennefer!
    »Zu wenig.« Die schmalen Züge des Phantoms verziehen sich plötzlich, über das bleiche Gesicht rinnt eine Träne, schnell, immer schneller, wie ein Wachstropfen an einer Kerze.
    »Zu wenig. Es braucht etwas mehr.«
    »Yennefer!«
    »Nichts um nichts«, spricht das Phantom mit der Stimme Eithnés. »Nichts und Leere, die in dir ist, Welteroberer, der du nicht einmal die Frau zu erobern vermagst, die du liebst. Der du fortgehst und fliehst, da doch deine Bestimmung in Reichweite liegt. Das Schwert der Vorsehung hat zwei Schneiden. Die eine bist du. Und was ist die andere, Weißer Wolf?«
    »Es gibt keine Vorherbestimmung.« Seine eigene Stimme. »Es gibt keine. Es gibt keine. Sie existiert nicht. Das Einzige, was allen vorherbestimmt ist, ist der Tod.«
    »Das ist wahr«, sagte die Frau mit rätselhaftem Lächeln. »Das ist wahr, Geralt.«
    Die Frau trägt eine silberne Rüstung, blutbefleckt, zerbeult, von Piken- oder Hellebardenspitzen durchlöchert. Das Blut rinnt ihr in einem dünnen Faden aus dem Winkel des rätselhaft und ungut lächelnden Mundes.
    »Du spottest über die Vorherbestimmung«, sagte sie, noch immer lächelnd. »Du spottest ihrer, spielst mit ihr. Das Schwert der Vorsehung hat zwei Schneiden. Die eine bist du. Die andere ... ist der Tod? Aber wir sind es, die sterben, die durch dich sterben. Dich kann der Tod nicht erreichen, also begnügt er sich mit uns. Der Tod folgt dir auf Schritt und Tritt, Weißer Wolf. Doch die anderen sind es, die sterben. Durch dich. Erinnerst du dich an mich?«
    »Ca ... Calanthe!«
    »Du kannst ihn retten« – die Stimme Eithnés durch die Rauchvorhänge hindurch. »Du kannst ihn retten, Kind des Älteren Blutes. Ehe er in dem Nichts versinkt, das er liebgewonnen hat. In dem schwarzen Walde, der kein Ende hat.«
    Augen, grün wie Frühlingsgras. Eine Berührung. Stimmen, die in unverständlichem Chor schreien. Gesichter.
    Er sah nichts mehr, flog in den Abgrund, ins Leere, in die Dunkelheit. Das Letzte, was er hörte, war die Stimme Eithnés.
    »Also soll es so sein.«

VII
    »Geralt! Wach auf! Wach auf, bitte!«
    Er öffnete die Augen, erblickte die Sonne, einen goldenen Dukaten mit deutlichen Rändern, hoch über den Baumwipfeln hinter dem trüben Vorhang des Morgennebels. Er lag auf nassem, schwammigem Moos, eine harte Wurzel drückte ihm in den Rücken.
    Vor ihm hockte Ciri und zerrte an seinem Wams.
    »Verdammt ...« Er räusperte sich, schaute sich um. »Wo bin ich? Wie bin ich hierhergeraten?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich bin vor einem Augenblick erwacht, hier neben dir, schrecklich durchgefroren. Ich erinnere mich nicht, wie ... Weißt du was? Das ist Zauberei!«
    »Sicherlich hast du recht.« Er setzte sich auf, zog Tannennadeln hinter dem Kragen hervor. »Sicherlich hast du recht, Ciri. Das Wasser des Brokilon, verdammt ... Sieht so aus, als hätten sich die Dryaden auf unsere Kosten einen Spaß gemacht.«
    Er stand auf, hob sein neben ihm liegendes Schwert auf, warf den Riemen über die Schulter.
    »Ciri?«
    »Ja?«
    »Du hast dir auch auf meine Kosten einen Spaß gemacht.«
    »Ich?«
    »Du bist die Tochter von Pavetta, die Enkelin Calanthes von Cintra. Hast du von Anfang an gewusst, wer ich bin?«
    »Nein.« Sie errötete. »Nicht von Anfang an. Du hast meinen Papa entzaubert, nicht wahr?«
    »Nicht wahr.« Er schüttelte den Kopf. »Getan hat das deine Mama. Und die Großmutter. Ich hab nur geholfen.«
    »Aber die Kinderfrau hat gesagt ... Sie hat gesagt, dass ich vorherbestimmt bin. Denn ich bin eine Überraschung. Ein Überraschungskind. Geralt?«
    »Ciri.« Er schaute sie an, schüttelte den Kopf und lächelte. »Glaub mit, du bist die größte Überraschung, die mir begegnen konnte.«
    »Ha!« Das Gesicht des Mädchens hellte sich auf. »Das ist wahr! Ich bin vorherbestimmt. Die Kinderfrau hat gesagt, dass ein Hexer kommt, der weiße Haare hat, und mich mitnimmt. Und die Großmutter hat geschimpft ... Ach, was soll’s? Wohin nimmst du mich mit, sag?«
    »Nach Hause. Nach Cintra.«
    »Ach ... Und ich dachte, du ...«
    »Denk unterwegs weiter. Komm, Ciri, wir müssen aus dem Brokilon hinaus. Das ist ein gefährlicher

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