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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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ohne Unterlass. Und sie erreichten sie, rissen sie inmitten des Stampfens, Schnaubens und Wieherns der Pferde von den Sätteln.
    Und dann wurde es still.
    Die die Straße versperrende Wand des Waldes begann zu flimmern, verschwamm, leuchtete in den Regenbogenfarben auf und verschwand. Wieder war die Straße zu sehen, und auf der Straße ein graues Pferd, auf dem Grauschimmel aber saß ein Reiter – eine gewichtige Gestalt mit fahlgelbem, langem Bart in einem Wams aus Robbenfell und einem schräg über die Schulter gelegten Plaid aus karierter Wolle.
    Das graue Pferd wandte den Kopf zur Seite, biss auf die Gebissstange, trat vor, die Hufe hoch erhoben, schnaubte und scheute angesichts der Leichen, des Blutgeruchs. Der Reiter, im Sattel aufgerichtet, hob die Hand, und ein plötzlicher Windstoß traf auf die Baumäste.
    Aus dem Dickicht am weiter entfernten Waldrand traten kleine Gestalten in lockerer Kleidung, aus Grün und Braun zusammengesetzt, mit Nussschalen aufgemalte Streifen auf den Gesichtern.
    »Ceádmol, Wedd Brokiloéne!«, rief der Reiter. »Fáill, Ané Woédwedd!«
    »Fáill!« Eine Stimme aus dem Wald wie ein Windhauch.
    Die grünbraunen Gestalten begannen zu verschwinden, eine nach der anderen, lösten sich im Unterholz auf. Es blieb nur eine mit losen Haaren von der Farbe des Honigs. Die machte ein paar Schritte, kam näher.
    »Va fáill, Gwynbleidd!«, rief sie und kam noch näher.
    »Leb wohl, Mona«, sagte der Hexer. »Ich werde dich nicht vergessen.«
    »Vergiss«, entgegnete sie fest und rückte den Köcher auf dem Rücken zurecht. »Es gibt keine Mona. Mona war ein Traum. Ich bin Braenn. Braenn vom Brokilon.«
    Noch einmal winkte sie ihm. Und verschwand.
    Der Hexer wandte sich um.
    »Mäussack«, sagte er und sah den Reiter auf dem Grauschimmel an.
    »Geralt.« Der Reiter nickte und maß ihn mit kaltem Blick. »Eine merkwürdige Begegnung. Aber beginnen wir beim Wichtigsten. Wo ist Ciri?«
    »Hier!«, schrie das im Laub versteckte Mädchen. »Kann ich herunterkommen?«
    »Ja«, antwortete der Hexer.
    »Aber ich weiß nicht wie!«
    »Genauso, wie du raufgeklettert bist, nur rückwärts.«
    »Ich hab Angst! Ich bin ganz oben!«
    »Komm runter, sag ich dir! Wir haben miteinander zu reden, mein Fräulein!«
    »Worüber denn?«
    »Warum, verdammt, bist du dort hinaufgeklettert, statt in den Wald zu laufen? Ich wär dir nachgelaufen und hätte nicht ... Ach, zum Teufel. Komm runter!«
    »Ich hab’s wie der Kater im Märchen gemacht! Was ich auch mache, immer ist es falsch! Warum, möchte ich wissen!«
    »Ich möchte das auch wissen«, sagte der Druide, während er abstieg. »Und deine Großmutter, Königin Calanthe, möchte es auch wissen. Los, komm herunter, Prinzessin.«
    Aus dem Baum fielen Blätter und trockene Zweige. Dann ertönte laut das Reißen von Stoff, und schließlich erschien Ciri, die rittlings den Stamm herabrutschte. Statt der Kapuze am Wams hatte sie einen malerischen Fetzen.
    »Onkel Mäussack!«
    »In eigener Person.« Der Druide umarmte, drückte das Mädchen.
    »Hat dich die Großmutter geschickt? Onkel? Macht sie sich große Sorgen?«
    »Keine großen.« Mäussack lächelte. »Sie ist zu sehr damit beschäftigt, die Gerten feucht zu machen. Der Weg nach Cintra, Ciri, wird eine Zeit dauern. Nutze sie, dir Erklärungen für alles auszudenken, was du getan hast. Es muss, wenn du meinen Rat willst, eine sehr kurze und sachliche Erklärung sein. Damit man sie sehr, sehr schnell sagen kann. Und trotzdem denke ich, dass du das Ende wirst schreien müssen. Sehr, sehr laut.«
    Ciri verzog schmerzhaft das Gesicht, rümpfte die Nase, fauchte leise, und ihre Hände griffen instinktiv nach der gefährdeten Stelle.
    »Lass uns hier weggehen«, sagte Geralt mit einem Blick rundum. »Lass uns hier weggehen, Mäussack.«

VIII
    »Nein«, sagte der Druide. »Calanthe hat umdisponiert, sie wünscht keine Hochzeit Ciris mit Kistrin mehr. Sie hat ihre Gründe. Außerdem muss ich dir ja wohl nicht erklären, dass nach dieser hässlichen Geschichte mit dem fingierten Überfall auf die Kaufleute König Ervyll in meinen Augen mächtig eingebüßt hat, und meine Augen zählen im Königreich. Nein, wir werden auch nicht in Nastrog vorbeischauen. Ich bringe die Kleine gleich nach Cintra. Komm mit uns, Geralt.«
    »Wozu?« Der Hexer warf einen Blick auf Ciri, die unter einem Baum schlummerte, in Mäussacks Plaid gewickelt.
    »Du weißt genau, wozu. Dieses Kind, Geralt, ist dir vorherbestimmt. Zum dritten

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