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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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kann, ich darf dich dem nicht aussetzen, Ciri.
    »Ich bin deine Vorherbestimmung!«, drang es von der Anhöhe her zu ihm, leiser, verzweifelter.
    Er trieb das Pferd mit der Ferse an und ritt vorwärts, tauchte wie in ein tiefes Wasser in den schwarzen, kalten und feuchten Wald ein, in den freundlichen, vertrauten Schatten, in die Dunkelheit, die kein Ende zu nehmen schien.
     

Etwas mehr
I
    Als auf den Bohlen der Brücke plötzlich Hufschlag erklang, hob Yurga nicht einmal den Kopf – er heulte nur leise auf, ließ das Rad los, mit dem er sich abmühte, und kroch, so schnell er nur konnte, unter den Wagen. Flach liegend, mit dem Rücken an der rauen Schicht von Schlamm und Dung schabend, die an der Wagenunterseite festklebten, wimmerte er abgehackt und zitterte vor Angst.
    Das Pferd näherte sich langsam dem Wagen. Yurga sah, wie es feinfühlig und vorsichtig die Hufe auf die angefaulten, moosbewachsenen Balken setzte.
    »Komm vor«, sagte der unsichtbare Reiter. Yurga begann mit den Zähnen zu klappern und zog den Kopf zwischen die Schultern. Das Pferd schnaubte, stampfte auf.
    »Ruhig, Plötze«, sagte der Reiter. Yurga hörte, wie er dem Tier den Hals tätschelte. »Komm da vor, Mann. Ich werde dir nichts zuleide tun.«
    Der Kaufmann glaubte der Erklärung des Unbekannten nicht im Geringsten. In dessen Stimme lag jedoch etwas Beruhigendes und gleichzeitig Neugier Weckendes, obwohl es durchaus keine Stimme war, deren Klang als angenehm gelten konnte. Ein gutes Dutzend Götter gleichzeitig halblaut um Hilfe anflehend, steckte Yurga vorsichtig den Kopf unter dem Wagen hervor.
    Der Reiter hatte Haare weiß wie Milch, die auf der Stirn von einem Lederband gehalten wurden, und einen schwarzen Wollmantel, der auf die Kruppe der kastanienbraunen Stute fiel. Er schaute Yurga nicht an. Im Sattel herübergebeugt, betrachtete er das Wagenrad, das bis an die Nabe zwischen die gebrochenen Bretter der Brücke eingesackt war. Plötzlich hob er den Kopf, musterte den Kaufmann, beobachtete mit reglosem Gesicht das Gebüsch zu beiden Seiten der Schlucht.
    Yurga kam schwerfällig hervorgekrochen, blinzelte, wischte sich mit der Handfläche über die Nase und verteilte dabei Schmiere von der Radnabe übers Gesicht. Der Reiter ließ den Blick auf ihm ruhen, seine Augen waren dunkel, eng, durchdringend, scharf wie Treibstacheln. Yurga schwieg.
    »Zu zweit kriegen wir ihn nicht raus«, sagte schließlich der Unbekannte und zeigte auf das eingebrochene Rad. »Bist du allein gefahren?«
    »Selbdritt«, stöhnte Yurga. »Mit Knechten, Herr. Aber sie sind weggelaufen, die Mistkerle ...«
    »Das wundert mich nicht«, sagte der Fremde mit einem Blick unter die Brücke, auf den Grund der Schlucht. »Ich wundere mich gar nicht über sie. Ich denke, du hättest dasselbe wie sie tun sollen. Es ist höchste Zeit.«
    Yurga folgte dem Blick des Fremden nicht. Er wollte nicht auf den Haufen Schädel, Rippen und Schienbeine schauen, die zwischen den Steinen verstreut lagen, unter den Kletten und Brennnesseln hervorschauten, welche den Grund des ausgetrockneten Flüsschens überwuchert hatten. Er fürchtete, dass ein weiterer Blick auf die schwarzen Augenhöhlen, die gebleckten Zähne und die geborstenen Knochen reichen würde, dass alles in ihm zerbräche, dass der restliche Mut der Verzweiflung wie die Luft aus einer Fischblase aus ihm entweichen würde. Dass er mit einem erstickten Schrei die Straße hinanstürmen würde, zurück, wie es der Kutscher und der Bursche vor einer knappen Stunde getan hatten.
    »Worauf wartest du?«, fragte der Reiter leise und wendete das Pferd. »Dass es dunkel wird? Dann ist es zu spät. Sie holen dich, sobald es dämmert. Vielleicht auch früher. Vorwärts, spring auf ein Pferd, und mir nach. Wir werden beide hier verschwinden, und zwar schleunigst.«
    »Und der Wagen, Herr?«, heulte Yurga laut auf, ohne recht zu wissen, ob vor Angst, vor Verzweiflung oder vor Wut. »Und die Waren? Ein ganzes Jahr Arbeit? Eher will ich verrecken! Ich lass sie nicht im Stich!«
    »Ich glaube, du weißt noch nicht, wohin du geraten bist, Freund«, sagte der Fremde ruhig und streckte die Hand in Richtung des monströsen Friedhofs unter der Brücke aus. »Du willst den Wagen nicht im Stich lassen, sagst du? Und ich sag dir, wenn die Dunkelheit hereinbricht, wird dich nicht einmal der Schatz König Desmonds retten, von deinem lausigen Wagen ganz zu schweigen. Zum Teufel, was ist über dich gekommen, dass du den Weg über diese

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