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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Schlucht abkürzt? Weißt du nicht, was sich hier seit dem Krieg eingenistet hat?«
    Yurga schüttelte den Kopf zum Zeichen, dass er es nicht wisse.
    »Du weißt es nicht.« Der Unbekannte nickte. »Aber was da am Grunde liegt, hast du gesehen? Das ist ja kaum zu übersehen. Das sind die, die hier den Weg abgekürzt haben. Und du sagst, du wirst den Wagen nicht im Stich lassen. Was hast du denn eigentlich auf dem Wagen?«
    Yurga antwortete nicht, er betrachtete den Unbekannten finster und versuchte sich zwischen den Versionen »Werg« und »alte Lumpen« zu entscheiden.
    Der Reiter schien sich für die Antwort nicht besonders zu interessieren. Er beruhigte die Stute, die auf der Gebissstange kaute und den Kopf schüttelte.
    »Herr ...«, brachte der Kaufmann schließlich hervor. »Helft mir. Rettet mich. Ich werde Euch mein Leben lang dankbar sein ... Lasst mich nicht ... Was Ihr wollt, geb ich, was immer Ihr verlangt ... Rettet mich, Herr!«
    Der Unbekannte warf heftig den Kopf zu ihm herum, mit beiden Händen auf den Sattelknauf gestützt.
    »Was hast du gesagt?«
    Yurga schwieg mit offenem Mund.
    »Du gibst, was ich verlange? Wiederhol es.«
    Yurga schluckte laut, machte den Mund zu und bedauerte, dass er keinen Bart hatte, in den er sich hätte spucken können. Im Kopfe schwirrten ihm phantastische Annahmen herum, welche Belohnung der seltsame Fremdling wohl verlangen könnte. Die meisten, nicht ausgenommen das Recht, sich allwöchentlich seiner jungen Frau Zelinda zu bedienen, erschienen indes nicht so schlimm wie die Aussicht, den Wagen einzubüßen, und erst recht nicht so makaber wie die Möglichkeit, als weiteres bleichendes Skelett am Grunde der Schlucht zu enden. Die Routine des Kaufmanns zwang ihn, blitzschnell zu kalkulieren. Der Reiter, obwohl er nicht nach einem gewöhnlichen Lumpen, Landstreicher oder Marodeur aussah, von denen nach dem Krieg die Straßen voll waren, konnte keinesfalls ein Edelmann sein, ein Graf oder einer von den stolzen Ritterlein, die eine hohe Meinung von sich hatten und Vergnügen daran fanden, ihren Nächsten das Fell über die Ohren zu ziehen. Yurga schätzte ihn nicht höher als zwanzig Goldstücke ein. Die Händlernatur hielt ihn jedoch davon ab, einen Preis zu nennen. Er beschränkte sich daher darauf, etwas von »ewiger Dankbarkeit« zu murmeln.
    »Ich habe gefragt«, erinnerte ihn der Unbekannte ruhig, nachdem er abgewartet hatte, bis der Kaufmann verstummte, »ob du mir geben wirst, was ich verlange?«
    Ihm blieb kein Ausweg. Yurga schluckte den Speichel hinunter, senkte den Kopf und nickte bestätigend. Entgegen seinen Erwartungen lächelte der Unbekannte nicht boshaft, ganz im Gegenteil, er schien sich über den Triumph bei dem Handel keineswegs zu freuen. Im Sattel zur Seite gelehnt, spuckte er in die Tiefe.
    »Was soll ich tun ...«, sagte er missmutig. »Was soll ich am besten tun ... Na schön. Ich will versuchen, dich hier herauszuhauen, obwohl ich nicht weiß, ob das nicht für uns beide fatal endet. Aber wenn es gelingt, gibst du mir dafür ...«
    Yurga zog den Kopf ein, den Tränen nahe.
    »Du sollst mir geben«, rezitierte der Reiter im schwarzen Mantel plötzlich schnell, »was du daheim vorfindest und nicht erwartet hast. Gelobst du das?«
    Yurga seufzte und nickte rasch.
    »Gut.« Der Unbekannte runzelte die Stirn. »Und jetzt zieh dich zurück. Am besten, du kriechst wieder unter den Wagen. Die Sonne wird gleich untergehen.«
    Er sprang vom Pferd, zog den Mantel von den Schultern. Yurga sah, dass der Unbekannte ein Schwert auf dem Rücken trug, an einem quer über die Brust laufenden Gurt. Er hatte das undeutliche Gefühl, schon einmal von Leuten gehört zu haben, die die Waffe auf diese Art trugen. Das schwarze, bis zu den Hüften reichende Lederwams mit den langen, von silbernen Nieten glänzenden Manschetten konnte bedeuten, dass der Unbekannte aus Nowigrad oder der Umgebung kam, doch die Mode für derlei Kleidung hatte sich in letzter Zeit weit verbreitet, besonders unter jungen Leuten. Ein junger Mann war der Unbekannte allerdings nicht.
    Der Reiter zog die Satteltaschen vom Pferd und wandte sich ab. Auf seiner Brust pendelte an einer silbernen Kette ein rundes Medaillon. Unter den Arm geklemmt hatte er ein rundes Köfferchen und ein längliches Bündel, in Leder und Riemen gewickelt.
    »Noch nicht unterm Wagen?«, fragte er und kam näher. Yurga bemerkte, dass auf dem Medaillon ein Wolfskopf mit offener, mit Reißzähnen bewehrter Schnauze abgebildet

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