Das Schwert der Vorsehung
Mal, ja, zum dritten Mal kreuzen sich eure Wege. Im übertragen Sinne, natürlich, vor allem was die beiden ersten Male betrifft. Du wirst das doch keinen Zufall nennen?«
»Was macht es schon aus, wie ich es nenne.« Der Hexer lächelte schief. »Der Name tut nichts zur Sache. Wozu soll ich nach Cintra reiten? Ich war schon in Cintra, habe schon, wie du es ausdrücktest, die Wege gekreuzt. Und?«
»Geralt, du hast damals von Calanthe, von Pavetta und ihrem Mann ein Gelöbnis verlangt. Das Gelöbnis ist eingehalten worden. Ciri ist ein Überraschungskind. Die Vorsehung verlangt ...«
»Dass ich das Kind mitnehme und einen Hexer daraus mache? Aus einem Mädchen? Schau mich an, Mäussack. Kannst du dir mich als junges Mädchen vorstellen?«
»Zum Teufel mit dem Hexertum«, entgegnete der Druide gereizt. »Wovon redest du überhaupt? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Nein, Geralt, ich sehe, dass du überhaupt nichts verstehst, dass ich es mit einfachen Worten versuchen muss. Pass auf, jeder Dummkopf, so auch du, kann einen Eid verlangen, ein Gelöbnis erzwingen, und er wird davon nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist das Kind. Und ungewöhnlich ist die Verbindung, die entsteht, wenn das Kind geboren wird. Noch deutlicher? Bitte sehr, Geralt, vom Augenblick von Ciris Geburt an zählt nicht mehr, was du willst und planst, es hat auch keinerlei Bedeutung, was du nicht willst und worauf du verzichtest. Du, verdammt noch mal, zählst nicht! Verstehst du nicht?«
»Schrei nicht, du weckst sie auf. Unser Überraschungskind schläft. Und wenn sie erwacht ... Mäussack, sogar auf etwas Ungewöhnliches kann man ... muss man manchmal verzichten.«
»Du weißt doch« – der Druide blickte ihn kalt an –, »dass du niemals ein eigenes Kind haben wirst.«
»Ich weiß.«
»Und du verzichtest?«
»Ich verzichte. Das darf ich doch wohl?«
»Darfst du«, sagte Mäussack. »Ja doch. Aber es ist riskant. Es gibt so eine alte Weissagung, die lautet, dass das Schwert der Vorsehung ...«
». .. zwei Schneiden hat«, beendete Geralt den Satz. »Ich hab davon gehört.«
»Ach, tu, was du für richtig hältst.« Der Druide wandte den Kopf ab, spuckte aus. »Wenn ich daran denke, dass ich bereit war, für dich meinen Kopf hinzuhalten ...«
»Du?«
»Ich. Im Gegensatz zu dir glaube ich an Vorherbestimmung. Und ich weiß, dass es gefährlich ist, mit einem zweischneidigen Schwert zu spielen. Spiel nicht, Geralt. Nutze die Gelegenheit, die sich bietet. Mach aus dem, was dich mit Ciri verbindet, die normale, gesunde Beziehung zwischen Kind und Beschützer. Denn sonst ... Sonst kann sich diese Beziehung anders äußern. Schrecklicher. Auf böse und zerstörerische Weise. Davor will ich sowohl dich als auch sie bewahren. Wenn du sie mitnehmen wolltest, wäre ich nicht dagegen. Ich würde das Risiko auf mich nehmen, Calanthe zu erklären, warum.«
»Woher weißt du, dass Ciri mit mir würde gehen wollen? Aus alten Weissagungen?«
»Nein«, sagte Mäussack ernst. »Daher, dass sie erst eingeschlafen ist, als du sie gedrückt hast. Dass sie im Schlaf deinen Namen murmelt und mit ihrer Hand deine sucht.«
»Genug.« Geralt stand auf. »Denn ich bin aufbruchbereit. Mach’s gut, Graubart. Übermittle Calanthe meine Reverenz. Und für Ciri ... denk dir was aus.«
»Es wird dir nicht gelingen zu fliehen, Geralt.«
»Vor der Vorsehung?« Der Hexer zog den Bauchgurt des erbeuteten Pferdes fest.
»Nein«, sagte der Druide, den Blick auf das schlafende Mädchen gerichtet. »Vor ihr.«
Der Hexer nickte, sprang in den Sattel. Mäussack saß reglos da und stocherte mit einem Ast im niederbrennenden Feuer.
Er ritt langsam, durch Heidekraut, das bis an die Steigbügel reichte, einen Abhang hinab, der in ein Tal führte, zum schwarzen Wald.
»Geraalt!«
Er schaute sich um. Ciri stand auf dem Gipfel der Anhöhe, eine kleine graue Gestalt mit wehendem aschfarbenen Haar.
»Geh nicht weg!«
Sie winkte.
»Geh nicht weg!«, schrie sie mit dünner Stimme. »Geh nicht weeeg!«
Ich muss, dachte er. Ich muss, Ciri. Weil ... Weil ich immer weggehe.
»So gelingt dir das nicht« rief sie. »Dass du es nur weißt! Du kannst nicht fliehen! Ich bin deine Vorherbestimmung, hörst du?«
Es gibt keine Vorherbestimmung, dachte er. Sie existiert nicht. Das Einzige, was vorherbestimmt ist, ist der Tod. Der Tod ist die andere Schneide des zweischneidigen Schwertes. Die eine bin ich. Und die andere ist der Tod, der mir auf Schritt und Tritt folgt. Ich
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