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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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war. Plötzlich fiel es ihm ein.
    »Ihr seid ... ein Hexer? Herr?«
    Der Unbekannte zuckte mit den Schultern.
    »Erraten. Ein Hexer. Und jetzt geh weg. Auf die andere Seite des Wagens. Komm dort nicht hervor und sei still. Ich muss einen Augenblick allein sein.«
    Yurga gehorchte. Er kauerte sich neben das Rad, wickelte sich in den Umhang. Er wollte nicht sehen, was der Unbekannte auf der anderen Seite des Wagens tat, und erst recht nicht die Knochen am Grunde der Schlucht. Also schaute er auf seine Stiefel und auf die grünen, sternförmigen Moosstengel, die zwischen den durchgefaulten Brückenbalken hervorwuchsen.
    Ein Hexer.
    Die Sonne ging unter.
    Er hörte Schritte.
    Der Unbekannte kam langsam, sehr langsam hinter dem Wagen hervor, ging auf die Mitte der Brücke. Er stand abgewandt – Yurga sah, dass das Schwert auf seinem Rücken nicht dasselbe war, das er zuvor gesehen hatte. Jetzt war das eine schöne Waffe: Knauf, Griff und der Beschlag der Scheide funkelten wie Sterne, obwohl kaum noch Licht war – sogar das purpurgoldene Abendrot war erloschen, das eben noch über dem Wald gehangen hatte.
    »Herr ...«
    Das Gesicht des Fremden war weiß – weiß und porig wie Quark, den man abgeschöpft und vom Tuch geschabt hat. Und die Augen ... Götter, heulte etwas in Yurga auf. Die Augen ...
    »Hinter den Wagen. Jetzt«, krächzte der Unbekannte. Das war nicht die Stimme, die Yurga zuerst gehört hatte. Der Kaufmann fühlte plötzlich, wie grässlich ihn die volle Blase drückte. Der Unbekannte wandte sich ab und ging weiter auf die Brücke.
    Ein Hexer.
    Das am Bord des Wagens festgebundene Pferd schnaubte, wieherte, stampfte dumpf mit den Hufen auf die Balken.
    An Yurgas Ohr begann eine Mücke zu surren. Der Kaufmann rührte nicht einmal die Hand, um sie zu verscheuchen. Die nächste surrte heran. Ganze Wolken von Mücken surrten in den Büschen auf der anderen Seite der Schlucht. Sie surrten.
    Und heulten.
    Yurga, der die Zähne zusammenpresste, dass es schmerzte, erkannte, dass das keine Mücken waren.
    Aus der Finsternis an dem strauchbewachsenen Hang der Schlucht kamen kleine, missgestaltete Silhouetten hervor – nicht größer als vier, fünf Fuß, erstaunlich dünn, wie Gerippe. Sie kamen mit sonderbarem, stelzendem Gang, hoben die knochigen Gelenke hoch, mit jähen Bewegungen. Die Augen unter den flachen, zerklüfteten Stirnen glänzten golden, in den breiten Froschmäulern blitzten weiße, spitze Hauer. Zischend kamen sie näher.
    Der Unbekannte, reglos wie eine Statue mitten auf der Brücke, hob plötzlich die rechte Hand, die Finger seltsam geformt. Die zwergwüchsigen Ungeheuer wichen zurück, begannen lauter zu zischen, drängten aber sofort wieder vorwärts, schnell, immer schneller, die langen, knorrigen, krallenbewehrten Pfoten erhoben.
    Links scharrten Krallen über die Bretter, das nächste Monster sprang plötzlich unter der Brücke hervor, und die übrigen stürmten in unheimlichen Sätzen voran. Der Unbekannte drehte sich auf der Stelle, das Schwert, wer weiß wann gezogen, blitzte auf. Der Kopf des auf die Brücke hochkletternden Ungeheuers flog einen Klafter weit empor, zog einen Fächer von Blut hinter sich her. Der Weißhaarige sprang mitten in die Gruppe der anderen hinein, wirbelte herum, hieb rasch nach links und rechts zu. Die Ungeheuer, mit den Pfoten fuchtelnd und heulend, stürzten sich von allen Seiten auf ihn, ohne auf die schimmernde Klinge zu achten, die wie ein Rasiermesser schnitt. Yurga kroch in sich zusammen, an den Wagen gepresst.
    Etwas fiel ihm unmittelbar vor die Füße, bespritzte ihn mit Blut. Es war eine lange, knochige Pfote, mit vier Krallen und hornbedeckt wie ein Hühnerbein.
    Der Kaufmann schrie auf.
    Er fühlte, wie etwas neben ihm vorbeihuschte. Er duckte sich, wollte unter den Wagen kriechen, doch in diesem Moment landete ein anderes Etwas auf seinem Nacken, und eine krallenbewehrte Pfote packte ihn an Schläfe und Wange. Er bedeckte die Augen mit der Hand, sprang brüllend und kopfschüttelnd auf und wankte auf die Mitte der Brücke, stolperte dabei über auf den Bohlen liegende Leichen. Auf der Brücke tobte der Kampf – Yurga sah nichts als einen brodelnden Kessel, ein Knäuel, aus dem immer wieder die silberne Klinge aufblitzte.
    »Hiiilfee!«, heulte er und fühlte, wie scharfe Krallen das Gewebe seiner Kappe durchdrangen und sich ihm in den Hinterkopf bohrten.
    »Kopf runter!«
    Er presste das Kinn an die Brust und sah aus dem Augenwinkel die Klinge

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