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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Blut.«
    Er ließ sich auf die Felle zurücksinken, warf den Kopf hin und her, fühlte, wie der Kaufmann ihn mit einem Pelz und einer nach Pferdeschweiß stinkenden Decke zudeckte. Der Wagen holperte, jeder Stoß hallte als rasender Schmerz im Schenkel und in der Hüfte wider. Geralt biss die Zähne zusammen. Über sich sah er
    Milliarden Sterne.
    So nahe, dass es schien, als brauche man nur die Hand auszustrecken. Direkt über dem Kopf, gleich über den Baumwipfeln.
    Er ging und wählte seinen Weg so, dass er sich vom Licht, vom Feuerschein fernhielt, dass er sich immer im Bereich der schwankenden Schatten befand. Das war nicht leicht – Stöße von Tannenstämmen brannten überall in der Umgebung, schleuderten roten Feuerschein gen Himmel, mit Funken durchsetzt, markierten die Dunkelheit mit helleren Rauchwimpeln, knackten laut, warfen Lichtblitze auf die ringsum tanzenden Silhouetten.
    Geralt blieb stehen, um einen auf ihn zukommenden, den Weg versperrenden Zug von wild und schreiend Tanzenden vorbeizulassen. Jemand fasste ihn an der Schulter, versuchte ihm einen großen Holzbecher in die Hand zu drücken, von dem Schaum tropfte. Er lehnte ab, schob leicht, aber entschieden den wankenden Mann von sich weg, der ringsum Bier aus einem unter den Arm geklemmten Fässchen versprühte. Er wollte nicht trinken.
    Nicht in einer Nacht wie dieser.
    Unweit, auf einem Gerüst aus Birkenstämmen, das neben einem großen Feuer hochragte, küsste der hellblonde Maikönig mit einem Kranz und Werghosen die rothaarige Maikönigin, betastete durch das dünne, verschwitzte Brauthemd hindurch ihre Brüste. Der Monarch war mehr als beschwipst, er schwankte und hielt das Gleichgewicht mit dem um die Königin geschlungenen Arm, wobei er ihr die Faust gegen den Rücken drückte, die den Bierhumpen umklammerte. Die Königin, auch nicht besonders nüchtern, mit über die Augen gerutschtem Kranz, hatte dem König die Arme um den Hals gelegt und trat von einem Fuß auf den anderen. Die Menge tanzte unter dem Gerüst, sang, schrie, schüttelte mit Grün und mit Blumen umwundene Stäbe.
    »Belleteyn!«, schrie ein junges, nicht besonders großes Mädchen Geralt ins Ohr. Sie zog ihn am Ärmel und zwang ihn, sich in dem sie umringenden Reigen zu drehen. Sie tanzte neben ihm, ließ den Rock rauschen und die Haare voller Blumen wehen. Er ließ sich von ihr im Tanze drehen, wirbelte herum, ging den anderen Paaren geschickt aus dem Wege.
    »Belleteyn! Die Mainacht!«
    Neben ihnen Getümmel, ein spitzer Schrei, das nervöse Gelächter eines Mädchens, das sich zum Schein wehrte, während ein Bursche es in die Dunkelheit trug, aus dem Lichtschein heraus. Der Zug der Tanzenden schlug Haken und wand sich zwischen den brennenden Holzstößen hindurch. Jemand stolperte, fiel hin, ließ die Kette auseinanderreißen, den Zug in kleinere Grüppchen zerfallen.
    Das Mädchen schaute unter den Blättern hervor, die ihre Stirn schmückten, Geralt an, kam näher, drängte sich mit Macht an ihn, schlang die Arme um ihn, atmete schwer. Er umfasste sie brutaler, als er eigentlich wollte, mit den an ihren Rücken gepressten Handflächen fühlte er durch das dünne Leinen hindurch die heiße Feuchtigkeit ihres Körpers. Sie blickte zu ihm auf. Die Augen hatte sie geschlossen, die Zähne blitzten unter der hochgezogenen Oberlippe. Sie roch nach Schweiß und Kalmus, nach Rauch und Verlangen.
    Warum nicht, dachte er, während er ihr mit der Hand über das Kleidchen und den Rücken strich, sich an der feuchten, dampfenden Wärme unter den Fingern erfreute. Das Mädchen war nicht sein Typ – zu klein, zu mollig –, er fühlte unter der Hand die Stelle, wo das Gürtelband des Kleidchens in den Körper schnitt, den Rücken in zwei deutlich spürbare Wölbungen zerteilte, an einer Stelle, wo keine sein sollten. Warum nicht, dachte er, in so einer Nacht schließlich ... Es hat nichts zu bedeuten.
    Belleteyn ... Feuer bis zum Horizont. Belleteyn, die Mainacht.
    Der nächste Stoß fraß krachend die ihm zugeworfenen trockenen, aufgegangenen Kienäpfel, verströmte goldene Helligkeit, tauchte alles in Licht. Das Mädchen öffnete die Augen, schaute hoch, in sein Gesicht. Er hörte sie laut Luft holen, fühlte, wie sie sich straffte, wie sie heftig die Hände gegen seine Brust stemmte. Er ließ sie sofort los. Sie zögerte. Sie neigte den Oberkörper auf die Länge der leicht gestreckten Arme zurück, ohne die Hüften von seinem Schenkel zu lösen. Sie senkte den Kopf, dann zog

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