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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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»Insbesondere gegenüber Niedamir und den Haudegen, die schon argwöhnen, dass du vorhast, sie am Erlegen des Drachen zu hindern. Solange du nur redest, behandeln sie dich als harmlosen Irren. Wenn du aber versuchst, etwas zu unternehmen, schneiden sie dir die Kehle durch, ehe du auch nur seufzen kannst.«
    Der Zauberer lächelte böse und geringschätzig.
    »Und außerdem«, fuhr Yennefer fort, »schädigst du mit diesen Ansichten die Reputation unseres Berufes und unserer Berufung.«
    »Wie denn das?«
    »Deine Theorie kannst du auf alle möglichen Geschöpfe und Ungeziefer beziehen, Dorregaray. Aber nicht auf Drachen. Denn Drachen sind die natürlichen und schlimmstenFeinde des Menschen. Und da geht es nicht um die Degeneration der menschlichen Rasse, sondern um ihren Fortbestand. Um zu überleben, muss man mit den Feinden fertig werden, mit denen, die dieses Überleben vereiteln können.«
    »Drachen sind keine Feinde des Menschen«, warf Geralt ein.
    Die Zauberin sah ihn an und lächelte. Nur mit den Lippen. »In dieser Frage«, sagte sie, »überlass das Urteil uns Menschen. Du, Hexer, bist nicht zum Urteilen geschaffen. Du bist für die grobe Arbeit da.«
    »Wie ein willenloser Golem?«
    »Der Vergleich stammt von dir, nicht von mir«, erwiderte Yennefer kalt. »Aber ja, er trifft’s ziemlich genau.«
    »Yennefer«, ließ sich Dorregaray vernehmen. »Für eine Frau von deiner Bildung und in deinem Alter redest du überraschend viel Unsinn. Wie kommen bei dir ausgerechnet die Drachen an die Spitze der Menschenfeinde? Warum nicht andere, hundertmal gefährlichere Geschöpfe, die hundertmal mehr Opfer auf dem Gewissen haben als die Drachen? Warum nicht Hirikkas, Gabelschwänze, Mantikoras, Amphisbaenen oder Greifen? Warum nicht Wölfe?«
    »Ich will dir sagen, warum. Das Übergewicht des Menschen über die anderen Rassen und Arten, sein Sieg im Kampf um den ihm zustehenden Platz in der Natur, um Lebensraum, kann nur dann errungen werden, wenn das Nomadentum endgültig ausgelöscht wird, die Wanderungen von Ort zu Ort auf der Suche nach Nahrung, wie es der Kalender der Natur befiehlt, beendet werden. Andernfalls wird nicht das nötige Bevölkerungswachstum erreicht, das Menschenkind ist zu lange unselbständig. Nur in der Sicherheit hinter den Mauern einer Stadt oder Festung kann eine Frau im richtigen Tempo Kinder zur Welt bringen, das heißt alle Jahre. Fruchtbarkeit, Dorregaray, ist gleichbedeutend mit Entwicklung, ist die Bedingung für Fortbestand und Herrschaft. Und da kommen wir zu den Drachen. Nur ein Drache, kein anderes Ungeheuer, kann eine Stadt oder eine Festung bedrohen. Wenn die Drachen nicht ausgerottet würden, würden sich die Menschen sicherheitshalber verstreuen, statt sich zusammenzuschließen. Denn in einer dicht bebauten Siedlung bedeutet das Feuer eines Drachen einen Albtraum, Hunderte von Opfern, schreckliche Zerstörungen. Darum müssen die Drachen bis auf den letzten ausgemerzt werden, Dorregaray.«
    Dorregaray betrachtete sie mit einem sonderbaren Lächeln auf den Lippen.
    »Weißt du, Yennefer, ich möchte den Zeitpunkt nicht erleben, da deine Vorstellung von der Herrschaft des Menschen Wirklichkeit wird, wenn deinesgleichen den ›euch zustehenden‹ Platz in der Natur einnimmt. Zum Glück wird es nie dazu kommen. Eher schlachtet ihr euch gegenseitig ab, vergiftet euch, verreckt an Fleckfieber und Typhus, denn nicht die Drachen, sondern Dreck und Läuse bedrohen eure glorreichen Städte, wo die Frauen Jahr für Jahr ein Kind kriegen, aber nur eins von zehn Neugeborenen älter als zehn Tage wird. Ja, Yennefer, Fruchtbarkeit, Fruchtbarkeit und nochmals Fruchtbarkeit. Befass dich, meine Liebe, mit Kinderkriegen, das ist für dich die natürlichere Beschäftigung. Dann hast du genug zu tun, statt deine Zeit mit dem Erfinden von Unsinn zu vergeuden. Ich empfehle mich.«
    Der Zauberer trieb das Pferd an und ritt im leichten Galopp auf die Spitze des Zuges zu. Geralt warf einen seitlichen Blick auf Yennefers blasses und wutverzerrtes Gesicht, und Dorregaray begann ihm schon im Voraus leidzutun. Er wusste, worum es ging. Wie die meisten Zauberinnen war Yennefer unfruchtbar. Aber wie nur wenige litt sie unter dieser Tatsache und reagierte auf deren Erwähnung mit wahrer Raserei. Dorregaray wusste das sicherlich. Er wusste wahrscheinlich nicht, wie rachsüchtig sie war.
    »Er wird Ärger kriegen«, zischte sie. »O ja, das wird er. Pass auf, Geralt. Denk nicht, dass ich dich, wenn was

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