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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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eine weniger dichte Wolke. Geralt sah unmittelbar über sich ein dürres Rattengesicht, kleine, schwarze, glänzende Äuglein. Er hörte die Schritte des anderen, der weglief, um eine Ecke verschwand, von der es nach Katzen und angebranntem Fleisch stank.
    Das Männlein mit dem Rattengesicht nahm langsam das Knie von seiner Brust.
    »Nächstes Mal ...«, hörte Geralt deutlich sein Flüstern. »Nächstes Mal, wenn du Selbstmord begehen willst, Hexer, dann zieh nicht andere mit hinein. Erhäng dich einfach im Stall an den Zügeln.«

IX
    Nachts musste es geregnet haben.
    Geralt trat vor den Stall, rieb sich die Augen, klaubte sich mit den Fingern Stroh aus dem Haar. Die aufgehende Sonne ließ die nassen Dächer glänzen, die Pfützen golden funkeln. Der Hexer spuckte aus, er hatte einen faden Geschmack im Mund, die Beule am Kopf schmerzte dumpf.
    Auf dem Geländer vor dem Stall saß ein dünner schwarzer Kater, der sich konzentriert eine Pfote leckte.
    »Miez, miez, Kätzchen«, sagte der Hexer.
    Der Kater erstarrte, schaute ihn feindselig an, legte die Ohren an und fauchte mit entblößten Fangzähnen.
    »Ich weiß.« Geralt nickte. »Ich mag dich auch nicht. War nur ein Scherz.«
    Mit ruhigen Handgriffen zog er die gelockerten Schnallen und Spangen des Wamses fest, strich die Falten der Kleidung an sich glatt, prüfte, dass sie ihn nirgends in seinen Bewegungen behinderte. Er warf sich das Schwert über den Rücken, korrigierte die Position des Griffes über der rechten Schulter. Er schlang sich das lederne Band um die Stirn, das die Haare hinter die Ohren zurückhielt. Er zog die langen Kampfhandschuhe an, mit den kurzen Höckern der silbernen Ringe besetzt.
    Noch einmal schaute er in die Sonne, wobei er die Pupillen zu winzigen Pünktchen zusammenzog. Ein schöner Tag, dachte er. Ein schöner Tag zum Kampf.
    Er seufzte, spuckte aus und ging langsam die Gasse hinab, an Mauern entlang, die den scharfen, durchdringenden Geruch von nasser Tünche und Kalkputz verströmten.
    »He, Fremder!«
    Er wandte sich um. Zikade saß in Gesellschaft dreier verdächtig aussehender, bewaffneter Subjekte auf einem Stapel Bretter, die entlang des Walles aufgeschichtet waren. Er stand auf, straffte sich, ging in die Mitte der Gasse, wobei er sorgsam die Pfützen vermied.
    »Wohin denn?«, fragte Zikade und hängte beide Hände in den mit Waffen beschwerten Gürtel.
    »Geht dich nichts an.«
    »Damit das klar ist, der Vorsteher, der Zauberer und diese ganze beschissene Stadt kümmern mich einen Pfifferling«, sagte Zikade, wobei er langsam die Worte betonte. »Mir geht es nur um dich, Hexer. Du wirst nicht bis zum Ende dieser Gasse gehen. Hörst du? Ich will herausfinden, wie tüchtig du im Kampfe bist. Das lässt mir keine Ruhe. Bleib stehen, sag ich.«
    »Geh mir aus dem Weg.«
    »Halt!«, brüllte Zikade und legte die Hand an den Schwertgriff. »Hast du nicht verstanden, was ich sage? Wir werden uns schlagen! Ich fordere dich heraus! Gleich wird sich zeigen, wer der Bessere ist!«
    Geralt zuckte mit den Schultern, ohne den Schritt zu verlangsamen.
    »Ich fordere dich zum Kampfe heraus! Hörst du, Wechselbalg?«, schrie Zikade und verstellte ihm abermals den Weg. »Worauf wartest du? Zieh blank! Was, hast du’s mit der Angst zu tun gekriegt? Oder stellst du dich vielleicht nur denen, die wie Istredd deine Hexe gefickt haben?«
    Geralt ging weiter und zwang Zikade, zurückzuweichen, unansehnlich im Rückwärtsgang. Die Zikade begleitenden Subjekte standen von dem Bretterstapel auf, folgten ihnen, hielten sich aber im Hintergrund. Geralt hörte, wie unter ihren Stiefeln der Morast gluckste.
    »Ich fordere dich heraus!«, wiederholte Zikade, der abwechselnd erbleichte und rot anlief. »Hörst du, du Misthexer? Was willst du denn noch? Soll ich dir in die Fresse spucken?«
    »Spuck nur.«
    Zikade blieb stehen und holte tatsächlich Luft, rundete die Lippen zum Spucken. Er blickte auf die Augen des Hexers, nicht auf seine Hände. Und das war ein Fehler. Geralt, der noch immer nicht den Schritt verlangsamte, schlug ihn blitzschnell, ohne auszuholen, nur aus dem Gehen heraus, mit der Faust in dem ringbesetzten Handschuh. Er schlug direkt auf den Mund, geradezu auf die verzerrten Lippen. Zikades Lippen sprangen auf, platzten wie zerquetschte Kirschen. Der Hexer krümmte den Rücken und schlug nochmals zu, auf dieselbe Stelle, nachdem er diesmal leicht ausgeholt hatte, er fühlte, wie zusammen mit der Kraft des Hiebes die Wut aus ihm wich.

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