Das Schwert der Vorsehung
schön, ab mit Schaden. Mit dem Mantel wird sie, wie ich sie kenne, nicht werfen.«
»Du verlogener Schuft!«, ließ sich die Blondine vernehmen und spuckte vom Balkon. »Du Lump! Du krächzender Fasan!«
»Warum ist sie so zu dir, Rittersporn? Was hast du angestellt?«
»Das Übliche.« Der Troubadour zuckte mit den Schultern. »Sie verlangt Monogamie, wie alle andern, und selber wirft sie mit fremden Hosen nach einem. Hast du gehört, was sie über mich herumgeschrien hat? Bei den Göttern, ich kenn auch welche, die einen hübscher abweisen, als die einen lässt, aber ich schrei’s nicht in den Straßen hinaus. Gehen wir.«
»Was schlägst du vor, wohin?«
»Was denkst du denn? In den Tempel des Ewigen Feuers? Komm, schauen wir in der ›Lanzenspitze‹ vorbei. Ich muss meine Nerven beruhigen.«
Ohne Widerspruch zog der Hexer die Stute hinter Rittersporn her, der munter in eine enge Gasse marschierte. Im Gehen stellte der Troubadour die Wirbel der Laute nach, klimperte probehalber herum, schlug einen vollen, schwingenden Akkord an.
»Im ersten kalten Hauch von Norden her
Kam mit dem Winterwind der Worte Sinn abhanden.
So muss es sein, nichts ändern daran mehr
An deinen Wimpernspitzen die Brillanten
. .
.«
Er brach ab, winkte mit der Hand fröhlich zwei Mädchen zu, die mit Körben voll Gemüse vorbeikamen. Die Mädchen fingen an zu kichern.
»Was führt dich nach Nowigrad, Geralt?«
»Einkäufe. Ein Zaumzeug, ein wenig Ausrüstung. Und ein neues Wams.« Der Hexer zog das knisternde, neu riechende Leder um sich straff. »Wie findest du mein neues Wams, Rittersporn?«
»Du gehst nicht mit der Mode.« Der Barde verzog das Gesicht und schnippte eine Hühnerfeder vom Ärmel seines glänzenden kornblumenblauen Wamses mit Puffärmeln und einem in Zacken auslaufenden Kragen. »Ach, ich freu mich, dass wir uns getroffen haben. Hier in Nowigrad, der Hauptstadt der Welt, dem Mittelpunkt und der Wiege der Kultur. Hier kann ein heller Kopf aus voller Brust atmen!«
»Vielleicht sollten wir zum freien Atmen eine Gasse weiter gehen«, schlug Geralt angesichts eines heruntergekommenen Subjekts vor, das sich, niedergehockt und mit hervorquellenden Augen, in einer Seitengasse entleerte.
»Dein ewiger Sarkasmus geht mir allmählich auf die Nerven.« Wieder verzog Rittersporn das Gesicht. »Nowigrad, sag ich dir, ist die Hauptstadt der Welt. Fast dreißigtausend Einwohner, Zugereiste nicht gezählt, Geralt, kannst du dir das vorstellen? Gemauerte Häuser, die Hauptstraßen gepflastert, ein Seehafen, Lagerhäuser, vier Wassermühlen, Schlachthäuser, Sägewerke, eine große Stiefelmanufaktur, dazu alle nur denkbaren Zünfte und Gewerke. Eine Wechselstube, acht Banken und neunzehn Leihhäuser. Ein Schloss und eine Stadtwache, dass es einem den Atem verschlägt. Und Unterhaltung – ein Schafott, ein Galgen mit Falltür, fünfunddreißig Herbergen, ein Theater, eine Menagerie, zwei Märkte und zwölf Bordelle. Und Tempel, ich weiß nicht mehr, wie viele. Viele. Na, und diese Frauen, Geralt, gewaschen, frisiert und parfümiert, die Atlas-, Samt- und Seidenstoffe, diese Korsetts und Bänder ... Oh, Geralt! Die Verse kommen einem ganz von selbst auf die Lippen:
Der Schnee glänzt weiß im kalten Winterlicht,
Vom Eis sind Seen und Sümpfe gläsern zugemauert.
So muss es sein, das ändert nun auch nicht
Die Sehnsucht, die in deinen Augen lauert.«
»Eine neue Ballade?«
»Hm. Ich nenne sie ›Winter‹. Aber sie ist noch nicht fertig, ich komm nicht zum Ende, wegen Vespula bin ich ganz durcheinander, und die Reime fügen sich mir nicht. Ah, Geralt, ich hab ganz vergessen zu fragen, wie steht es mit Yennefer?«
»Gar nicht.«
»Verstehe.«
»Einen Scheißdreck verstehst du. Also, wo ist diese Schenke, ist es noch weit?«
»Um die Ecke. Oh, da sind wir schon. Siehst du das Schild?«
»Ich seh’s.«
»Meinen Gruß und meine Verbeugung der Dame!« Rittersporn bleckte die Zähne einem Fräulein entgegen, das die Treppe fegte. »Hat dem Fräulein schon jemand gesagt, dass sie hübsch ist?«
Das Fräulein wurde rot und umklammerte fest den Besen. Einen Augenblick lang glaubte Geralt, sie würde dem Troubadour damit eins überziehen. Er hatte sich geirrt. Das Fräulein lächelte lieb und klimperte mit den Wimpern. Rittersporn beachtete das wie üblich nicht im Geringsten.
»Meinen Gruß allerseits! Guten Tag!«, tönte er, als er in die Herberge trat, und fuhr hart mit dem Daumen über die Saiten. »Meister
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