Das Schwert der Vorsehung
ging, ohne auf die Leute zu achten, die ihm rasch den Weg freigaben, auf die eilig zugeschlagenen Türen und Fensterläden. Er nahm niemanden und nichts wahr.
Er dachte an den Brief, der ihn in der Herberge erwartete.
Er beschleunigte den Schritt. Er wusste, dass am Kopfende des Bettes ein regennasser schwarzer Turmfalke auf ihn wartete, der einen Brief im krummen Schnabel hielt. Er wollte diesen Brief so schnell wie möglich lesen.
Obwohl er den Inhalt kannte.
Das Ewige Feuer
I
Du Schwein! Du windiger Bänkelsänger! Du Schwindler!«
Neugierig geworden, lenkte Geralt die Stute um die Ecke der Gasse. Noch ehe er die Quelle des Geschreis ausgemacht hatte, gesellte sich ein tiefes, klebrig gläsernes Klirren hinzu. Ein Glas Kirschmarmelade, dachte der Hexer. Dieses Geräusch gibt ein Glas Kirschmarmelade von sich, wenn man es aus großer Höhe und mit ganzer Kraft nach jemandem wirft. Er hatte das gut in Erinnerung; als sie zusammen in Vergerberg gewohnt hatten, war es mitunter vorgekommen, dass Yennefer im Zorn mit Marmeladengläsern nach ihm geworfen hatte. Mit denen, die sie von den Kunden bekommen hatte. Denn Yennefer hatte keine Ahnung, wie man Marmelade kocht, und die Magie half in dieser Hinsicht nicht weiter.
Hinter der Ecke, unter einem schmalen, rosa angestrichenen Häuschen, hatte sich ein Grüppchen Gaffer angesammelt. Auf dem kleinen, blumengeschmückten Balkon, gleich unter dem steilen Dachvorsprung, stand eine junge, blonde Frau im Nachthemd. Die Frau streckte den etwas molligen und rundlichen Arm aus, der unter den Falbeln zu sehen war, und warf mit Schwung einen Blumentopf herunter.
Der magere Mann mit dem pflaumenblauen Käppchen und der weißen Feder daran sprang wie gesengt zurück, der Topf krachte unmittelbar vor ihm zu Boden, zersprang in Stücke.
»Ich bitte dich, Vespula!«, rief der Mann mit dem federgeschmückten Käppchen. »Schenk den Gerüchten keinen Glauben! Ich bin dir treu gewesen, ich will tot umfallen, wenn es nicht wahr ist!«
»Mistkerl! Teufelsbraten! Zugelaufener Stromer!«, brüllte die mollige Blondine und verschwand im Haus, zweifellos auf der Suche nach weiteren Geschossen.
»He, Rittersporn«, rief der Hexer und zog die widerstrebende und schnaubende Stute auf das Kampffeld. »Wie geht es dir? Was ist los?«
»Normal«, erklärte der Troubadour und ließ die Zähne blitzen. »Wie üblich. Grüß dich, Geralt. Was machst du hier? Verdammt, pass auf!«
Ein kleiner Zinnpokal pfiff durch die Luft und prallte scheppernd vom Pflaster ab. Rittersporn hob ihn auf, betrachtete ihn und warf ihn in den Rinnstein.
»Nimm diese Lumpen mit!«, schrie die Blonde und ließ die Falbeln über dem molligen Busen hübsch wogen. »Und geh mir aus den Augen! Lass dich ja nicht mehr hier blicken, du Lautenklimperer!«
»Das ist nicht meine«, wunderte sich Rittersporn und hob eine Männerhose mit verschiedenfarbigen Beinen auf. »Mein Lebtag hab ich keine solche Hose gehabt.«
»Verschwinde! Ich will dich nicht sehen! Du ... du ... Weißt du, wie du im Bett bist? Eine Null! Eine Null, hörst du? Hört ihr’s, Leute?«
Der nächste Blumentopf pfiff, das daraus wachsende dürre Kraut raschelte. Rittersporn konnte gerade noch ausweichen. Nach dem Blumentopf flog wirbelnd ein kupferner Kochtopf von mindestens zweieinhalb Gallonen Fassungsvermögen herab. Die Menge der Gaffer, die sich außer Schussweite hielt, brach in Gelächter aus. Die Witzigsten klatschten Beifall und stachelten die Blondine boshaft zur Tat an.
»Ob sie womöglich eine Armbrust im Hause hat?«, fragte der Hexer beunruhigt.
»Nicht auszuschließen«, sagte der Dichter und hob den Kopf zum Balkon hin. »Sie hat eine schreckliche Gerümpelkammer im Hause. Hast du diese Hose gesehen?«
»Vielleicht sollten wir also lieber weggehen? Du kommst wieder, wenn sie sich beruhigt hat.«
»Den Teufel werd ich.« Rittersporn verzog das Gesicht. »Ich gehe nicht wieder in ein Haus, aus dem man mir Verleumdungen und Kupfertöpfe nachwirft. Ich betrachte diese kurze Beziehung als abgebrochen. Wir wollen nur warten, bis sie meine ... Um Himmels willen, nein! Vespula! Meine Laute!«
Er stürzte los, streckte die Hände aus, stolperte, fiel, erwischte das Instrument im letzten Augenblick, kurz vor dem Pflaster. Die Laute ertönte seufzend und melodisch.
»Uff«, stöhnte der Barde und stand auf. »Ich hab sie. In Ordnung, Geralt, jetzt können wir gehen. Ich hab zwar bei ihr noch einen Mantel mit Marderkragen, aber
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