Das Schwert der Vorsehung
Rittersporn, der berühmteste Poet in diesem Lande, besucht dein schmutziges Lokal, Hausherr! Er hat sogar Lust mitgebracht, Bier zu trinken! Weißt du die Ehre zu schätzen, die ich dir erweise, Beutelschneider?«
»Das weiß ich wohl«, sagte der Wirt trübsinnig und beugte sich hinter der Theke hervor. »Ich freue mich, Euch zu sehen, Herr Sänger. Ich sehe, dass Euer Wort tatsächlich nicht Schall und Rauch ist. Ihr habt ja versprochen, gleich frühmorgens hereinzuschauen und die gestrige Rechnung zu bezahlen. Und ich, man denke nur, dachte, Ihr lügt wie üblich. Ich schäme mich unsäglich.«
»Du brauchst dich durchaus nicht zu schämen, guter Mann«, sagte der Troubadour unbekümmert. »Dieweil ich kein Geld habe. Darüber reden wir später.«
»Nein«, sagte der Wirt kalt. »Sofort reden wir darüber. Dein Kredit ist erschöpft, gnädiger Herr Poet. Zweimal hintereinander haut mich keiner übers Ohr.«
Rittersporn hängte die Laute an einen aus der Wand ragenden Haken, setzte sich an einen Tisch, nahm das Hütchen ab und betrachtete nachdenklich die daran befestigte Reiherfeder.
»Hast du Geld, Geralt?«, fragte er mit Hoffnung in der Stimme.
»Nein. Alles, was ich hatte, ist für das Wams draufgegangen.«
»Schlecht, schlecht«, seufzte Rittersporn. »Verdammt, keine Menschenseele da, niemand, der was borgen könnte. Wirt, wieso ist es heute bei dir so leer?«
»Zu früh für die üblichen Gäste. Und die Maurergesellen, die, wo am Tempel arbeiten, waren schon da und sind auf den Bau zurückgegangen, zusammen mit dem Meister.«
»Und niemand da, überhaupt niemand?«
»Niemand außer dem edlen Kaufmann Biberveldt, der im großen Alkoven frühstückt.«
»Dainty ist da?«, freute sich Rittersporn. »Warum denn nicht gleich so. Geh zum Alkoven, Geralt. Kennst du Dainty Biberveldt, den Halbling?«
»Nein.«
»Macht nichts. Du lernst ihn kennen. Oho!«, rief der Troubadour und lenkte den Schritt zu dem Nebenraum. »Ich spüre von Westen her den Duft und Hauch einer Zwiebelsuppe, die meiner Nase wohltun. Kuckuck! Wir sind es! Überraschung!«
Am Mitteltisch des Alkovens, unter einem mit Girlanden von Knoblauch und Büscheln von Küchenkräutern dekorierten Pfeiler, saß ein pausbäckiger, kraushaariger Halbling in pistaziengrüner Weste. In der rechten Hand hielt er einen hölzernen Löffel, die linke stützte die tönerne Schüssel. Als er Rittersporn und Geralt erblickte, erstarrte der Halbling reglos mit offenem Munde, und seine großen, nussbraunen Augen weiteten sich vor Angst.
»Grüß dich, Dainty«, sagte Rittersporn und wedelte fröhlich mit dem Käppchen. Der Halbling hatte sich noch immer nicht bewegt und den Mund nicht zugemacht. Die Hand, wie Geralt bemerkte, zitterte ihm leicht, und der vom Löffel herabhängende lange Streifen gekochter Zwiebeln ging wie ein Pendel hin und her.
»Sssei ... sssei mir gegrüßt, Rittersporn«, brachte er mit einem Aufstoßen hervor und schluckte laut Speichel herunter.
»Hast du den Schluckauf? Ich erschreck dich, soll ich? Pass auf: Am Schlagbaum ist deine Frau gesehen worden! Gleich wird sie hier sein! Gardenia Biberveldt in eigener Person! Ha, ha, ha!«
»Was bist du dumm, Rittersporn«, sagte der Halbling vorwurfsvoll.
Rittersporn lachte abermals hell auf und schlug gleichzeitig zwei komplizierte Akkorde auf der Laute an.
»Na, aber du, Bruderherz, schaust ausgesprochen dumm drein, und du glotzt uns an, als ob wir Hörner und Schwänze hätten. Oder macht dir vielleicht der Hexer Angst? Was? Vielleicht denkst du, die Jagdsaison auf Halblinge sei eröffnet worden? Vielleicht ...«
»Hör auf.« Geralt wurde es zu viel, er trat an den Tisch. »Verzeih, Freund, Rittersporn hat heute eine schwere persönliche Tragödie durchgemacht, er ist noch nicht drüber weg. Er versucht, mit Witzen seine Trauer, Niedergeschlagenheit und Scham zu überspielen.«
»Nicht sagen.« Der Halbling schlürfte endlich den Inhalt des Löffels. »Ich will selber raten. Vespula hat dich endlich hochkant rausgeschmissen? Was, Rittersporn?«
»Ich lass mich nicht in Gespräche über delikate Themen mit Subjekten ein, die selber fressen und saufen, ihre Freunde aber stehen lassen«, sagte der Troubadour, worauf er sich, ohne eine Antwort abzuwarten, hinsetzte. Der Halbling nahm einen Löffel Suppe und leckte die herabhängenden Käsefäden ab.
»Wo du recht hast, hast du recht«, erklärte er missmutig. »Ihr seid also eingeladen. Setzt euch und seid meine Gäste.
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