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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Nehmt ihr eine Zwiebelsuppe?«
    »So früh am Tage esse ich prinzipiell nicht.« Rittersporn rümpfte die Nase. »Aber meinetwegen, ich nehm eine. Heda, Wirt! Bier, wenn’s gefällig! Aber flink!«
    Ein Mädchen mit einem imponierend dicken Zopf, der bis zu den Hinterbacken reichte, brachte Humpen und Schüsseln mit Suppe. Geralt, den Blick auf ihr rundes, flaumbedecktes Mündchen gerichtet, stellte fest, dass sie hübsche Lippen hätte, wenn sie daran dächte, sie zu schließen.
    »Walddryade!«, rief Rittersporn, griff nach der Hand des Mädchens und küsste sie auf den Handteller. »Sylphide! Wahrsagerin! Göttliches Wesen mit Augen wie blaue Seen! Du bist schön wie der Morgen, und die Gestalt deiner erbaulich geöffneten Lippen ...«
    »Gebt ihm Bier, schnell«, stöhnte Dainty. »Sonst passiert ein Unglück.«
    »Nein, es passiert keins«, versicherte der Barde. »Nicht wahr, Geralt? Man findet schwerlich ruhigere Leute als uns beide. Ich, Herr Kaufmann, bin Dichter und Musiker, und die Musik veredelt die Sitten. Und der hier anwesende Hexer ist nur für Ungeheuer bedrohlich. Ich stelle dir vor: Das ist Geralt von Riva, der Schrecken der Striegen, Werwölfe und jeglichen Ungeziefers. Du hast doch wohl von Geralt gehört, Dainty?«
    »Hab ich ...« Der Halbling warf Geralt einen misstrauischen Blick zu. »Und was ... Und was treibt Ihr in Nowigrad, Herr Geralt? Sind hier etwa irgendwelche schrecklichen Monster aufgetaucht? Seid ihr ... ähm ... beruflich hier?«
    »Nein.« Der Hexer lächelte. »Ich bin zum Vergnügen hier.«
    »Oh«, sagte Dainty und zappelte nervös mit den behaarten Füßen, die eine halbe Elle überm Boden hingen. »Das ist gut ...«
    »Was ist gut?« Rittersporn nahm einen Löffel Suppe und spülte mit Bier nach. »Hast du vielleicht vor, uns beizustehen? Beim Vergnügen, versteht sich? Das trifft sich bestens. Hier in der ›Lanzenspitze‹ gedenken wir uns einen leichten Rausch anzutrinken. Anschließend haben wir vor, in die ›Passiflora‹ reinzuschauen, das ist ein sehr teures und gutes Freudenhaus, wo wir uns eine Halbelfe finanzieren können, wer weiß, vielleicht sogar eine reinblütige Elfe. Wir brauchen aber einen Sponsor.«
    »Wen?«
    »Jemanden, der bezahlt.«
    »Das hab ich mir gedacht«, knurrte Dainty. »Tut mir leid. Erstens bin ich zu Handelsabsprachen verabredet. Zweitens habe ich nicht die Mittel, derlei Vergnügungen zu finanzieren. Drittens, in der ›Passiflora‹ lassen sie ausschließlich Menschen rein.«
    »Ja was sind wir denn, Steinkäuze? Ach, ich verstehe. Sie lassen keine Halblinge rein. Das ist wahr. Du hast recht, Dainty. Das ist Nowigrad. Die Hauptstadt der Welt.«
    »Ja ...«, sagte der Halbling, den Blick noch immer auf den Hexer gerichtet und mit seltsam verkniffenem Mund. »Ich werd dann gehen. Ich habe eine Verabredung ...«
    Die Tür des Alkovens ging knarrend auf, und herein kam ...
    Dainty Biberveldt.
    »Götter!«, schrie Rittersporn auf.
    Der in der Tür stehende Halbling unterschied sich in nichts von dem Halbling, der am Tisch saß, abgesehen von der Tatsache, dass der am Tische sauber war und der in der Tür schmutzig, zerzaust und ramponiert.
    »Hab ich dich, du Hundeschwanz!«, brüllte der schmutzige Halbling und stürzte auf den Tisch zu. »Du Verbrecher!«
    Sein sauberer Zwilling sprang auf, warf den Stuhl um und Geschirr vom Tisch. Geralt reagierte instinktiv und blitzschnell – er riss das Schwert mitsamt Scheide von der Bank und hieb Biberveldt kräftig ins Genick. Der Halbling stürzte zu Boden, überschlug sich, tauchte zwischen Rittersporns Beinen hindurch und eilte auf allen vieren zum Ausgang, und Arme und Beine wurden bei ihm plötzlich länger, wie bei einer Spinne. Bei diesem Anblick fluchte der schmutzige Dainty Biberveldt, schrie auf und sprang beiseite, wobei er krachend mit dem Rücken gegen die hölzerne Trennwand stieß. Geralt warf die Schwertscheide beiseite, stieß mit einem Fußtritt einen Stuhl aus dem Weg und setzte zur Verfolgung an. Der saubere Dainty Biberveldt, der schon in nichts mehr außer in der Farbe der Weste Dainty Biberveldt ähnelte, setzte wie ein Grashüpfer über die Schwelle in die allgemeine Gaststube, stieß gegen das Fräulein mit dem halboffenen Mund. Angesichts seiner langen Pfoten und des Zerrbilds einer Physiognomie riss das Fräulein den Mund vollends auf und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Geralt, dem der Tempoverlust durch den Zusammenstoß mit dem Mädchen zunutze kam,

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