Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
anzusehen, die Ishaq für ihn ausgesucht hatte. Für sein Empfinden war es viel zu still im Stallgebäude, deshalb musste er unwillkürlich an die Stille in seinem Zimmer im Gasthaus denken, kurz bevor dieses Wesen durch die Zwischenwände gebrochen war. Es fiel ihm schwer, die plötzliche Stille nicht als bedrohlich zu empfinden, und er hätte gern eine Möglichkeit gehabt, zu wissen, ob die Bestie sich in der Nähe befand oder womöglich gar jeden Augenblick zuschlagen konnte. Seine Finger ertasteten den Knauf seines Schwertes. Wenn er schon sonst nichts hatte, so besaß er doch wenigstens sein Schwert und die ihm innewohnenden Kräfte.
Nur zu gut erinnerte er sich an die barbarischen Drohungen von Leid und Folter, die, verborgen in Caras Innerstem, dort eigens für ihn zurückgelassen worden waren. Schon die bloße Erinnerung an das wortlose Wispern dieser Verheißungen rief bei ihm ein Gefühl von Übelkeit und Benommenheit hervor, sodass er kurz stehen bleiben und sich mit der Hand am Geländer abstützen musste.
Als er kurz hinübersah und Cara erblickte, überkam ihn wiederholt die wortlose Freude darüber, dass sie am Leben und wohlauf war, und als er sah, dass sie seinen Blick erwiderte, schöpfte er neuen Mut. Eine Folge der Erfahrung, sie geheilt zu haben, war, dass er eine tiefe Verbundenheit mit ihr verspürte. Ihm war, als würde er die Frau, die sich hinter dem Panzer der Mord-Sith verbarg, jetzt ein wenig besser kennen.
Aber jetzt musste er sich erst einmal um Kahlan kümmern und dafür sorgen, dass auch sie am Leben und wohlauf war.
Zwei Pferde waren bereits gesattelt und standen bereit, während die anderen mit den Vorräten beladen worden waren – Ishaq hatte wie immer Wort gehalten. Als Richard ihre Box betrat, strich er der größeren der beiden rotbraunen Stuten mit der Hand über die Flanke, befühlte ihre Muskeln und gab ihr damit zu verstehen, dass er hinter ihr stand, um sie nicht unnötig zu ängstigen. Eines ihrer Ohren schraubte sich in seine Richtung.
Die Tiere waren überaus schreckhaft nach den Vorfällen, von dem noch immer in der Luft hängenden Blutgeruch ganz zu schweigen. Das Gefühl eines Wildfremden ganz in ihrer Nähe ließ die Stute den Kopf werfen und nervös mit den Hufen stampfen, sodass er ihr erst einmal über den Kopf strich und mit leiser Stimme auf sie einredete, ehe er daranging, seinen Bogen am Sattel zu befestigen. Er liebkoste zärtlich ihr Ohr. Zu seiner Freude genügte ein wenig gutes Zureden, und sie beruhigte sich wieder.
Als er wieder aus der Box heraustrat, beobachtete ihn Nicci; sie hatte ihn bereits erwartet. »Du wirst doch vorsichtig sein?«, fragte sie.
»Ihr könnt ganz unbesorgt sein«, sagte Cara im Vorübergehen, in den Händen einen Teil ihrer Sachen. Sie war bereits an der Box, in der die kleinere der beiden gesattelten Stuten stand, als sie hinzufügte: »Ich werde ihm eine gründliche Strafpredigt halten, wie dumm sein unüberlegtes Handeln heute Abend war.«
»Unüberlegtes Handeln, was meint Ihr damit?«, wollte Victor wissen.
Einen Arm über den Hals ihres Pferdes gelegt, spielte sie beiläufig mit dessen Mähne, während sie sich zu dem Schmied herumwandte.
»Bei uns in D’Hara gibt es eine Redensart: Wir sind der Stahl gegen den Stahl, damit Lord Rahl die Magie gegen die Magie sein kann. Mit anderen Worten, es ist unsinnig, wenn Lord Rahl sein Leben in einem Kampf mit normalen Waffen aufs Spiel setzt, das ist unsere Aufgabe. Aber gegen Magie sind wir machtlos, dafür ist allein er zuständig. Und genau dafür muss er am Leben bleiben. Also ist es unsere Pflicht, zu verhindern, dass ihm Waffen aus Stahl gefährlich werden können, damit er uns im Gegenzug gegen die Magie beschützen kann. Das ist die Pflicht des Lord Rahl und sein Teil der Bande.«
Victor wies auf Richards Schwert. »Mir scheint er ziemlich gut mit einer Klinge umgehen zu können.«
Caras Gesichtsausdruck bekam etwas Schulmeisterliches. »Manchmal hat er eben Glück. Muss ich dich erinnern, dass er um ein Haar durch einen einfachen Pfeil ums Leben gekommen wäre? Ohne seine Mord-Sith wäre er aufgeschmissen«, fügte sie sicherheitshalber noch hinzu.
Als Victor daraufhin besorgt in seine Richtung blickte, verdrehte Richard stumm die Augen. Auch Ishaq machte einen bekümmerten Eindruck, als er zu Richard hinüberschielte, so als wäre der ein Fremder, den er zum ersten Mal sah. Ein knappes Jahr lang hatten die beiden ihn nur als Richard gekannt, einen Mann, der
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