Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
während des Großen Krieges – geschriebenes Tagebuch. Lord Rahl hat es in der Burg der Zauberer entdeckt, im selben Raum, in dem sich auch die Sliph befand. Der Mann, der es führte, wird darin Koloblicin genannt, ein Name, der auf Hoch-D’Haran ›kluger Berater‹ bedeutet. Lord Rahl und ich haben ihn dann der Einfachheit halber zu ›Kolo‹ abgekürzt.«
»Und was wusste dieser Kolo über diesen Ort, diese zentralen Stätten, zu berichten? Was hat es damit auf sich?«
Berdine blätterte in den Seiten des Buches, das sie in der Hand hielt. »Daran erinnere ich mich nicht. Jedenfalls habe ich es damals nicht richtig verstanden und deshalb auch nicht viel Mühe darauf verwendet. Ich müsste mich noch einmal eingehend damit beschäftigen, um meine Erinnerung aufzufrischen.« Sie kniff die Augen zusammen und schien sich wieder zu entsinnen. »Ich meine mich zu erinnern, dass an diesen zentrale Stätten genannten Orten irgendetwas vergraben lag, aber was genau, weiß ich nicht mehr.«
Sie blickte angestrengt in das schmale Bändchen, als wäre sie in dieser Körperhaltung erstarrt. »Ich hatte gehofft, hier drin einen Hinweis zu finden.«
Mit einem tiefen Seufzer ließ Verna ihren Blick durch die Bibliothek schweifen.
»Berdine, ich würde liebend gern noch bleiben und mir die Zeit nehmen, all diese Bücher methodisch zu erforschen, denn ich wüsste wirklich gern, was diese Bibliothek und all die anderen hier im Palast enthalten, aber im Moment gibt es dringendere Aufgaben. Wir müssen unbedingt zurück zur Armee und zu meinen Ordensschwestern.«
Verna sah sich ein letztes Mal um. »Aber bevor ich gehe, möchte ich hier im Palast des Volkes noch etwas überprüfen. Vielleicht könntet Ihr mir dabei behilflich sein.«
Widerstrebend klappte Berdine das Buch zu und schob es zurück in die Vitrine, ehe sie die Tür behutsam schloss.
»Also gut, Prälatin. Was wollt Ihr Euch ansehen?«
30
Als sie den einzelnen, lange nachklingenden Ton einer Glocke hörte, stutzte Verna. »Was war denn das?«
»Die Andacht«, antwortete Berdine und blieb stehen, während der tiefe Glockenschlag in den endlosen marmornen und granitenen Fluren des Palasts des Volkes widerhallte.
Was immer ursprünglich ihr Ziel gewesen sein mochte – die Menschen schwenkten allenthalben ab und bewegten sich stattdessen auf jenen breiten Korridor zu, in dem der tiefe, volltönende Glockenton erklungen war. Niemand schien es sonderlich eilig zu haben, aber alle hielten sehr zielstrebig auf den allmählich verklingenden Glockenton zu.
Verna sah Berdine fragend an. »Die was?«
»Die Andacht. Ihr werdet doch wissen, was eine Andacht ist.«
»Ihr meint die Andacht, die für Lord Rahl gehalten wird?«
Berdine nickte. »Die Glocke verkündet, dass es Zeit für die Andacht ist.« Nachdenklich wanderte ihr Blick in die Richtung des Korridors, in den die Menschen hineinströmten.
Viele in der immer rascher anwachsenden Menge waren mit in einer Vielzahl gedämpfter Farben gehaltenen Gewändern bekleidet. Verna vermutete, die mit einer silbernen oder goldenen Borte abgesetzten Gewänder waren das Erkennungszeichen irgendwelcher im Palast lebender und arbeitender Beamter, zumindest deuteten ihr ganzes Auftreten und ihre Körperhaltung darauf hin. Alle, von diesen Verwaltungsbeamten bis hin zu einfachen Boten in ihren grün abgesetzten Gewändern und ihren Ledermappen mit dem verschnörkelten, für das Haus Rahl stehenden Buchstaben »R« darauf, setzten ungezwungen ihre Unterhaltungen fort, während sie sich zu der Stelle begaben, wo die breiten Flure zusammenliefen. Andere, die in einem der vielen Ladengeschäfte arbeiteten, waren eher ihrem Beruf entsprechend gekleidet – ob sie nun mit Leder, mit Silber oder Töpferwaren arbeiteten, ob sie Schuhe flickten oder Bekleidung herstellten, ob sie die zahllosen Speisen oder Dienste feilboten oder mit den vielfältigen im Palast anfallenden Arbeiten, von der Wartung bis zur Reinhaltung, beschäftigt waren.
Ein großer Teil der Passanten trug die einfachen Kleider der Farmer, Händler und Kaufleute, von denen viele ihre Frauen und manche sogar ihre Kinder mitgebracht hatten. Wie die Menschen, die Verna auf den unteren Ebenen im Innern des riesigen Felsplateaus, auf dem sich der Palast des Volkes erhob, oder an den draußen eingerichteten Märkten gesehen hatte, schienen sie Besucher zu sein, die wegen irgendwelcher Geschäfte oder Einkäufe hergekommen waren. Andere wiederum hatten anlässlich ihres
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