Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Verna, »aber ich dachte nicht, dass sie auch dann stattfindet, wenn sich der Lord Rahl gar nicht im Palast befindet – und erst recht nicht, seit Richard dieses Amt innehat.«
Sie hatte nicht herablassend klingen wollen, aber als die Worte heraus waren, merkte sie, dass es so geklungen haben musste. Es war nur so, das Richard … nun ja, eben Richard war.
Berdine warf ihr einen scheelen Seitenblick zu. »Er ist trotzdem der Lord Rahl, und wir fühlen uns ihm nicht weniger verbunden, nur weil er gerade nicht im Palast weilt. Die Andacht findet zu allen Zeiten im Palast statt, ob Lord Rahl sich hier aufhält oder nicht. Und ungeachtet des Eindrucks, den Ihr persönlich von ihm habt, ist er in jeder Hinsicht der Lord Rahl, den wir respektieren wie noch keinen Lord Rahl vor ihm. Das gibt der Andacht einen tieferen Sinn und macht sie wichtiger als je zuvor.«
Verna verzichtete auf eine Erwiderung und bedachte Berdine stattdessen mit einem Blick, der ihr, als Schwester des Lichts und nun sogar Prälatin, keine sonderliche Mühe abverlangte. Auch wenn sie ihre Beweggründe kannte, sie war derzeit immerhin die Prälatin der Schwestern des Lichts, deren Arbeit ganz dem Willen des Schöpfers gewidmet war. Als Schwester des Lichts, die im Palast der Propheten unter einem den Alterungsprozess verlangsamenden Bann gelebt hatte, hatte sie Herrscher kommen und gehen sehen, ohne dass sich ihre Ordensschwestern ihnen jemals gebeugt hätten.
Sie ermahnte sich, dass der Palast der Propheten nicht mehr existierte und viele ihrer Mitschwestern jetzt unter der Herrschaft der Imperialen Ordnung standen.
Berdine wies mit einer ausholenden Geste auf den Palast ringsum. »Dies alles hat erst Lord Rahl möglich gemacht, er hat uns eine Heimat gegeben. Er ist die Magie gegen die Magie, seine Herrschaft garantiert unsere Sicherheit. Wir hatten in der Vergangenheit nicht selten Herrscher, die die Andacht als eine Demonstration sklavischer Unterwürfigkeit betrachteten, dabei ist sie ihrem Ursprung nach nichts anderes als ein Ausdruck des Respekts.«
Vernas Ärger brodelte dicht unterhalb der Oberfläche, schließlich sprach Berdine nicht etwa von irgendeinem mythischen Anführer, einem weisen alten König, sondern von Richard. Sosehr sie ihn schätzte und respektierte, er war noch immer Richard, ein ehemaliger Waldführer.
Der kurze Anflug von Empörung wich augenblicklich einem Gefühl des Bedauerns über diese wenig freundlichen Gedanken. Richard setzte sich stets ein für das, was richtig war, und hatte schon mehrfach mutig für seine noblen Überzeugungen sein Leben aufs Spiel gesetzt.
Außerdem war er es, der in den Prophezeiungen genannt wurde. Und er war der Sucher – sowie der Lord Rahl, der Bringer des Todes, der die Welt auf den Kopf gestellt hatte. Ihm hatte sie es zu verdanken, dass sie jetzt Prälatin war – auch wenn sie nicht recht wusste, ob sie das als Segen oder Fluch begreifen sollte.
Aber vor allem war Richard ihre letzte Hoffnung. »Nun ja, wenn er sich nicht sputet, um endlich zu uns zu stoßen, und sich in der letzten entscheidenden Schlacht an die Spitze der d’Haranischen Armee stellt, wird von uns wohl niemand mehr übrig sein, der ihm Respekt zollen könnte.«
»Wir sind der Stahl gegen den Stahl, Lord Rahl ist die Magie gegen die Magie. Wenn er sich nicht zeigt, um gemeinsam mit der Armee zu kämpfen, dann nur deswegen, weil er es als seine Pflicht ansieht, uns vor den dunklen Kräften der Magie zu beschützen«, psalmodierte Berdine.
»Was für ein einfältiges Geschwätz«, murmelte Verna bei sich, während sie sich beeilte, die Mord-Sith einzuholen. »Wo wollt Ihr überhaupt hin?«, rief sie ihr hinterher.
»Zur Andacht, wohin denn sonst? Jeder im Palast nimmt an der Andacht teil.«
»Berdine«, knurrte sie, als sie ihren Arm zu fassen bekam. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit.«
»Jetzt ist Andacht. Sie ist Bestandteil unserer Bande zu Lord Rahl. Ihr tätet gut daran, hinzugehen, schon allein deswegen, damit Ihr das nicht so leicht vergesst.«
Wie angewurzelt blieb Verna mitten in dem weiten Flur stehen und sah der sich mit entschlossenen Schritten entfernenden Mord-Sith verdutzt hinterher. Die Zeit, als die Bande zu Richard unterbrochen waren, war ihr noch lebhaft in Erinnerung. Es hatte nicht einmal übermäßig lange gedauert, trotzdem hatte der Schutz, den die Bande gewährten, während seiner Abwesenheit aus der Welt des Lebens zu existieren aufgehört – und in dieser kurzen Zeitspanne,
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