Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
des Lichts, eine Beraterin Richards und eine seiner engsten Vertrauten – aber das konnten die Gardisten ja nicht wissen.
Umso klarer war sie sich darüber, dass ihre Kraft hier nahezu vollkommen erloschen war. Dies war das Stammhaus der Rahls. Der gesamte Palast war in Gestalt einer Bannform errichtet worden, deren Zweck es war, ihre Macht zu festigen und allen anderen die ihre zu verwehren.
Schließlich ließ sie sich mit einem schweren Seufzer auf die Knie hinunter und beugte sich, wie alle anderen auf ihre Hände gestützt, nach vorn. Sie befanden sich ganz nah am Wasserbecken, aber da die Dachöffnung nur ungefähr die Größe des eigentlichen Bassins hatte, beschränkte sich der Regen weitgehend auf das Wasserbecken, und die wenigen verirrten Tropfen wurden von der sanften Brise davongetragen. In Anbetracht ihrer gereizten Stimmung fühlten sich die paar feinen Spritzer, die sie trafen, sogar fast erfrischend an.
»Ich bin zu alt für so etwas«, beklagte sich Verna mit gedämpfter Stimme bei ihrer Andachtspartnerin.
»Aber Prälatin, Ihr seid doch eine junge, gesunde Frau«, erwiderte Berdine mit mildem Tadel.
Verna stieß einen Seufzer aus. Es hatte einfach keinen Sinn, dagegen zu protestieren, töricht auf dem Boden herumzuknien und ein an einen Mann gerichtetes Bittgebet zu sprechen, dem sie bereits in mehr als einer Hinsicht treu ergeben war. Es war sogar mehr als töricht, es war albern. Und überdies Zeitverschwendung.
»Führe uns, Meister Rahl«, begann die Menge einmütig, wenn auch nicht ganz wie aus einem Munde, und alle beugten sich noch weiter vor, bis sie mit der Stirn den Boden berührten.
»Lehre uns, Meister Rahl«, psalmodierten sie und fanden immer mehr zur Harmonie.
Obwohl ihre Stirn die Fliesen berührte, gelang es Berdine, einen glühenden Blick in Vernas Richtung zu werfen. Verna verdrehte die Augen, beugte den Oberkörper vor und presste ihre Stirn auf die Fliesen.
»Beschütze uns, Meister Rahl«, fiel sie schließlich murmelnd in das Bittgebet ein, das sie längst kannte und Richard bereits persönlich dargebracht hatte. »In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Ein weiteres Mal intonierte die versammelte Menge gemeinsam die Andacht.
»Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. Beschütze uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gewährt uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir . «
Schließlich neigte sie sich vorsichtig hinüber zu Berdine und fragte: »Wie oft müssen wir die Andacht eigentlich noch sprechen?«
Berdine, jetzt ganz Mord-Sith, warf ihr einen unbeugsamen Blick zu, sagte aber nichts. Das war auch nicht nötig, Verna kannte diesen Blick, sie hatte sich seiner selbst schon unzählige Male bedient, wenn sie mit gerümpfter Nase auf Novizinnen herabgeblickt hatte, die sich danebenbenommen hatten, oder auf junge, noch in der Ausbildung befindliche Zauberer, die ihrem Eigensinn frönten. Sie richtete ihre Augen wieder auf die Fliesen vor ihrem Gesicht, stimmte mit leiser Stimme zusammen mit den übrigen Anwesenden den Sprechgesang an und fühlte sich auf einmal wieder sehr wie eine Novizin.
»Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. Beschütze uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gewährt uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Das Gemurmel der mit den vereinten Stimmen all der anderen auf dem Platz versammelten Menschen im Sprechgesang vorgetragenen Andacht hallte durch die tunnelartigen Flure. Nach dem Blick, den Berdine ihr zugeworfen hatte, hielt sie es – vorläufig zumindest – für das Klügste, ihre Einwände für sich zu behalten und die Andacht gemeinsam mit allen anderen anzustimmen.
Leise sprach sie die Worte vor sich hin, ließ sie in ihre Gedanken einfließen und dachte darüber nach, wie viele Male sie sich für sie persönlich bereits als wahr erwiesen hatten. Sie war immer im Glauben gewesen, es sei die wichtigste Mission der Schwestern, mit der Gabe gesegneten jungen Burschen einen Ring um den Hals zu legen und sie im Gebrauch ihrer Gabe zu unterweisen, doch Richard hatte sie gescholten für diesen gedankenlosen Glauben. Mit ihm war alles anders geworden, er hatte sie dazu gebracht, alles noch einmal zu überdenken.
Verna bezweifelte, ob sie
Weitere Kostenlose Bücher