Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Kindheit.
Als das Buch endlich brannte und dabei nicht nur Hitze, sondern auch Kälte verströmte und farbige Lichtstrahlen sowie allerlei gespenstische Gebilde freisetzte, wurde Richard augenblicklich klar, dass er zum ersten Mal Zeuge eines eindeutigen Beweises für die Existenz von Magie wurde – nicht bloß irgendeines Taschenspielertricks oder einer mystizistischen Demonstration, sondern echter, wahrer Magie, Magie, die wie alles Übrige auch nach den ihr eigenen Gesetzen funktionierte. Und einige dieser Gesetze waren in dem Buch beschrieben, das er auswendig gelernt hatte.
In gewisser Weise war er an jenem Tag im Wald, als er, noch als kleiner Junge, den Einband des Buches zum allerersten Mal aufgeschlagen hatte, Kahlan zum ersten Mal begegnet. Das Buch der Gezählten Schatten begann mit den Worten: Die Überprüfung der Richtigkeit der Worte des Buches der Gezählten Schatten, so sie von einem anderen gesprochen werden als jenem, der über die Kästchen gebietet, kann nur durch den Einsatz eines Konfessors gewährleistet werden …
Kahlan war die letzte noch lebende Konfessorin.
Am Tag ihrer ersten Begegnung war Richard auf der Suche nach Hinweisen auf den Mörder seines Vaters gewesen. Kurz zuvor hatte Darken Rahl die Kästchen der Ordnung ins Spiel gebracht, doch um sie zu öffnen, benötigte er die im Buch der Gezählten Schatten enthaltenen Informationen. Was er nicht wusste – jetzt, da diese Informationen nur in Richards Gedächtnis existierten -, war, dass er für die Überprüfung ihrer Richtigkeit einen Konfessor respektive eine Konfessorin benötigte – Kahlan.
In gewisser Hinsicht waren Richard und Kahlan von dem Augenblick an, da er den Einband zum ersten Mal aufgeschlagen hatte und auf das seltsame Wort »Konfessor« gestoßen war, über dieses Buch und die mit ihm verknüpften Ereignisse bereits schicksalhaft miteinander verbunden, weshalb es ihm bei seiner Begegnung mit Kahlan an jenem Tag im Wald so vorgekommen war, als hätte er sie schon immer gekannt – was in gewisser Weise ja auch stimmte. Von frühester Jugend an hatte sie in gewisser Weise eine Rolle gespielt in seinem Leben, hatte sie sein Denken geprägt.
Bis sich schließlich, an jenem schicksalhaften Tag der ersten Begegnung mit Kahlan auf dem Pfad in den Wäldern Kernlands, der Kreis seines Lebens mit einem Mal schloss – auch wenn er da noch gar nicht wusste, dass sie die letzte noch lebende Konfessorin war. Sein Entschluss, ihr zu helfen, gefasst an ebendiesem Tag, war seine freie Willensentscheidung, getroffen, ehe die Prophezeiungen überhaupt ihren Einfluss geltend machen konnten.
Kahlan war so sehr ein Teil von ihm, ein Teil dessen, was ihm die Welt, ja das Leben, bedeutete, dass ein Weiterleben ohne sie einfach nicht vorstellbar war. Er musste sie finden – um jeden Preis. Der Zeitpunkt war gekommen, das Problem hinter sich zu lassen und sich auf die Suche nach der Lösung zu begeben.
Eine eisige Bö zwang ihn, die Augen halb zusammenzukneifen, und riss ihn aus seinen Erinnerungen.
»Dort vorne«, sagte er und zeigte auf etwas.
Cara blieb hinter ihm stehen und spähte über seine Schulter in das Schneegestöber, bis auch sie schließlich den schmalen Trampelpfad am äußersten Rand der Bergflanke erkennen konnte. Als er sich kurz umsah, nickte sie zum Zeichen, dass sie den Pfad gesehen hatte, der sich am unteren Rand der Schneekappe entlangwand.
Mittlerweile hatte der vom Wind aufgewirbelte Schnee die ersten Verwehungen gebildet, die den Pfad unter sich zu begraben drohten, daher hatte Richard es eilig, ihn hinter sich zu lassen und wieder auf tiefer gelegenes Gelände zu gelangen. Doch während sie weitergingen, verschlechterten sich die Bedingungen zusehends, bis der Pfad schließlich nur noch an den Umrissen der Landschaft zu erkennen war. Über dem von links aufsteigenden Hang wies die Schneeschicht eine leichte Wölbung auf, die über dem Pfad abflachte und sogar in eine leichte Mulde überging, ehe sich auf der rechten Seite, wo der ganzjährige Schnee weiter anstieg, eine leichte Erhebung anschloss.
Während sie durch den knöcheltiefen Schnee stapften, warf Richard einen Blick über seine Schulter. »Wir haben jetzt den höchsten Punkt erreicht, bald geht es wieder abwärts, und dann wird es auch wieder wärmer.«
»Mit anderen Worten, wir werden wieder dem Regen ausgesetzt sein, ehe wir auch nur eine Chance hatten, auf tieferes Gelände zu gelangen und uns ein wenig aufzuwärmen«, brummte sie
Weitere Kostenlose Bücher