Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
sich hochzuziehen oder wenigstens einen besseren Halt zu finden – ohne Erfolg. Über eins war er sich allerdings im Klaren, selbst wenn es ihm gelingen sollte, einen besseren Halt zu finden, stand Samuel bereit, um ihn mithilfe des Schwertes in die Tiefe stürzen zu lassen.
Seine Füße baumelten über einem mindestens tausend Fuß tiefen Abgrund, und er befand sich in einer höchst heiklen und angreifbaren Position. Er konnte kaum glauben, dass Samuel ihn auf so plumpe Weise übertölpelt hatte – und es ihm gelungen war, sein Schwert an sich zu reißen. Mühsam suchte er die düster-grauen, im Schneetreiben vorüberwehenden Nebelschwaden mit den Augen ab, konnte aber Cara nirgendwo entdecken.
»Samuel!«, brüllte Richard gegen den Wind an. »Gib mir sofort mein Schwert zurück!«
Selbst ihm erschien die Forderung ziemlich lächerlich.
»Ist mein Schwert«, fauchte Samuel.
»Was, glaubst du, würde Shota dazu sagen?«
Die blutleeren Lippen weiteten sich zu einem Feixen. »Herrin nicht da.«
Einer sich aus dem Nichts der Schatten schälenden Erscheinung gleich, tauchte hinter Samuels Rücken plötzlich eine Gestalt auf – Cara. Der Wind, der sich in ihrem dunklen Umhang verfing, verlieh ihr das Aussehen eines Racheengels. Vermutlich war sie den Spuren seines halsbrecherischen Absturzes im Schnee gefolgt. Samuel, den brausenden Wind in den Ohren und, was entscheidender war, den Blick wie gebannt auf Richard in seiner misslichen Lage geheftet, hatte nicht bemerkt, dass Cara bereits hinter ihm lauerte.
Sie hatte die Situation mit einem einzigen Blick erfasst – Samuel, Richards Schwert in den Händen, über Richard stehend, der sich mit letzter Kraft an die Kante einer Felsnase klammerte. Nicht zum ersten Mal machte Richard die Erfahrung, dass Samuels Aufmerksamkeit, überhaupt sein ganzes Handeln, so gut wie ausschließlich von seinen kaum gebändigten Gefühlsausbrüchen beherrscht wurde, seine Füße liefen stets nur hinterher. Jetzt, von der hämischen Freude abgelenkt, das Ziel seines glühenden Hasses mit vorgehaltenem Schwert zu bedrohen, jenem Schwert, das er einst selbst getragen hatte und nach dem es ihn bis heute gelüstete, war Samuel viel zu sehr damit beschäftigt, sich an diesem Anblick zu ergötzen, um auf die sich ihm von hinten nähernde Mord-Sith zu achten.
Wortlos und ohne großes Federlesen rammte sie ihm ihren Strafer an der Schädelbasis in den Halsansatz, konnte den Kontakt wegen des rutschigen Untergrunds aber nicht aufrechterhalten.
Samuel schrie vor Schmerz und verwirrtem Entsetzen auf, das Schwert entglitt seinen Fingern, und er kippte rücklings in den Schnee. Sich vor Schmerzen windend, ohne zu begreifen, was überhaupt passiert war, fasste er sich wie von Sinnen in den Nacken, wo Cara ihren Strafer angesetzt hatte, und warf sich dabei kreischend im Schnee hin und her wie ein gestrandeter Fisch. Wie Richard aus eigener Erfahrung wusste, war der Schmerz eines an dieser Stelle aufgesetzten Strafers so grauenhaft und schockierend, als wäre man vom Blitz getroffen worden.
Er erkannte Caras Gesichtsausdruck sofort wieder, als sie sich über die sich windende Kreatur zu beugen begann: Sie war fest entschlossen, Samuel mit ihrem Strafer den Rest zu geben.
Im Grunde war es ihm egal, ob sie den heimtückischen Gefährten der Hexe tötete, nur hatte er in diesem Augenblick ein weitaus dringenderes Problem.
»Cara! Ich hänge hier an der Felsnase. Ich kann mich nicht mehr lange halten!«
Sofort nahm sie das neben dem sich am Boden wälzenden Samuel liegende Schwert auf, damit der es nicht mehr an sich reißen konnte, und eilte ihm zu Hilfe. Nachdem sie die Klinge neben sich in die Erde gerammt hatte, ließ sie sich auf den Boden fallen, stemmte ihre Stiefel gegen den Felsen und packte seine Arme – keinen Augenblick zu früh.
Dank ihrer Unterstützung bekam er den Felsen besser zu fassen, dann mühten sie sich unter diesen schwierigen Bedingungen mit vereinten Kräften ab, bis er schließlich einen Arm über den blanken Fels schieben konnte. Jetzt, da er mit einem Arm einen sicheren Halt hatte, konnte er endlich auch ein Bein nach oben schwingen und sich damit am Felsen festhaken, ehe er sich in einer letzten Kraftanstrengung auf die rutschige, blanke Felsnase zog.
Mit einem Keuchen ließ er sich entkräftet auf die Seite sinken, stets bemüht, nur ja genug der dünnen Luft in seine Lungen zu saugen. Mühsam brachte er ein leises »Danke« hervor.
Während Richard rasch wieder
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