Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
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Meine und General Meifferts Verzweiflung, womit wir diese verzagten Männer noch vertrösten sollen, wächst mit jedem Tag. Selbst wenn ein triftiger Grund vorliegen sollte, für Männer, die wissen, dass sie dem Tod ins Auge blicken, ist es schwer, ganz ohne Nachricht von dem ersten Anführer ihres Lebens zu sein, an den sie wirklich geglaubt haben.
Bitte, Ann, richtet Richard aus, sobald Ihr zu ihm stoßt, wie dringend ihn all diese tapferen jungen Männer brauchen, die nun schon so lange die Hauptlast im Kampf für unsere Sache tragen und so viel durchgemacht haben. Bringt bitte in Erfahrung, wann er endlich zu uns stoßen wird – und bittet ihn, sich zu sputen.
Erwarte dringend Antwort.
Im Licht des Schöpfers, Eure
Verna.
Nicci ließ die Hände mit dem Buch darin sinken; Tränen stachen ihr in den Augen.
Ann nahm ihr das Reisebuch aus den zitternden Fingern. »Was soll ich Verna antworten? Was soll sie, Eurer Meinung nach, den Soldaten sagen?«, fragte Ann in ruhigem, fast sanftem Ton.
Nicci blinzelte die Tränen fort. »Ihr wollt, dass ich ihn seines Verstandes beraube? Dass ich ihn verrate?«
»Nein, das wollen wir ganz und gar nicht«, beschwichtigte Zedd sie und fasste mit kräftigen Fingern ihre Schulter. »Wir wollen, dass Ihr ihm helft … ihn heilt.«
»In seinem gegenwärtigen Zustand haben wir Angst, uns ihm auch nur zu nähern. Wir befürchten, er könnte Verdacht schöpfen. Ich fürchte, zum Teil bin ich selbst schuld daran, weil ich auf seine Wahnvorstellungen so schroff reagiert habe. Der Schöpfer möge mir verzeihen, aber ich habe zeit meines Lebens die Geschicke anderer gelenkt und erwarte nun einmal Gehorsam. Alte Gewohnheiten sind bekanntlich nicht so einfach abzulegen. Und nun denkt er, ich will ihn mit allen Mitteln zwingen, sich an die Prophezeiungen zu halten. Sein Misstrauen uns gegenüber wächst ständig … bei Euch ist das ganz anders.«
»Euch würde er vertrauen«, beschwor Zedd sie. »Ihr könntet Hand an ihn legen, ohne dass er auch nur den geringsten Verdacht schöpft.«
Nicci starrte fassungslos. »Hand an ihn legen …«
Zedd nickte. »Ihr würdet die Kontrolle über ihn erlangen, ehe er überhaupt merkt, wie ihm geschieht. Er wird nicht das Geringste spüren. Und wenn er wieder aufwacht, wird die Erinnerung an Kahlan erloschen sein, und er wird wieder der Richard sein, wie wir ihn kennen.«
Außerstande, ihrer Stimme zu vertrauen, biss sich Nicci auf die Unterlippe.
Zedd standen die Tränen in seinen haselnussbraunen Augen. »Ich liebe meinen Enkelsohn von ganzem Herzen und würde alles für ihn tun. Ich würde es ja selbst machen, wenn ich dafür nur halbwegs so befähigt wäre wie Ihr. Ich will nichts weiter, als dass er wieder gesund wird, wir alle wollen das.«
Er drückte abermals ihre Schulter. »Wenn Ihr ihn wirklich liebt, Nicci, dann tut es, bitte. Bitte tut, was nur Ihr allein tun könnt, und heilt ihn noch ein einziges Mal.«
56
»Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. Beschütze uns, Meister Rahl«, murmelte Kahlan nun schon zum wer-weiß-wievielten Mal.
»In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Vom langen Knien auf dem harten Boden, die Stirn auf die Fliesen gepresst, während sie wieder und wieder den Text der Andacht sprach, taten ihr die Schultern weh, und doch machte es ihr trotz ihrer quälenden Müdigkeit kaum etwas aus.
»Führe uns, Meister Rahl«, begann Kahlan erneut im Einklang mit dem Chor aus Stimmen, die leise durch die marmornen Flure hallten.
»Lehre uns, Meister Rahl. Beschütze uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Tatsächlich fand sie es eher angenehm, wieder und wieder die immer gleichen Worte zu wiederholen. Es füllte ihren Geist aus und half ihr, das entsetzliche Gefühl völliger Leere zu betäuben. Die Worte gaben ihr das Gefühl, nicht vollkommen allein zu sein.
Nicht so verloren.
»Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. Beschütze uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Einige der Gedanken brachten eine Saite in ihr zum Klingen, denn sie enthielten eine für sie durchaus tröstliche Vorstellung: ein
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