Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
erfülltes, erfolgreiches Leben in Sicherheit und Geborgenheit, beherrscht von Wissen und Weisheit. Es war ein Bild, das ihr gefiel, ein Bild voller Ideen, die ihr wie ein unfassbarer Traum erschienen.
Eigentlich hatten ihre Begleiterinnen es eilig gehabt, doch als sie Soldaten in ihre Richtung blicken sahen, hatten sie entschieden, dass es klüger wäre, sich der breiten Masse anzuschließen, die sich auf dem zum bedeckten Himmel hin offenen Platz einzufinden begann. Unter dem bedeckten Himmel hatten sie eine Fläche weißen Sandes vorgefunden, der rings um einen dunklen, mit Narben übersäten Stein in konzentrischen Kreisen geharkt war. Und auf diesem Stein, in einem robusten Gestell, war eine Glocke angebracht, jene Glocke, deren Läuten die Menschen aufgefordert hatte, sich zu versammeln.
Die Öffnung im Deckengewölbe des Platzes wurde auf allen vier Seiten von Pfeilern gestützt. Auf dem gefliesten Boden zwischen diesen Pfeilern lagen die Menschen rings um Kahlan vornübergebeugt auf den Knien, berührten mit der Stirn die Fliesen und intonierten in einer Art harmonischem Sprechgesang die an den Lord Rahl gerichtete Andacht.
Unmittelbar vor dem Ende der nächsten Wiederholung erklang die Glocke auf dem dunklen, narbenübersäten Stein zweimal, und mit den abschließenden Worten »Unser Leben gehört dir«, verstummten die Stimmen rings um Kahlan.
In der plötzlichen Stille erhoben sich die Menschen bis auf die Knie, wobei sich viele erst einmal gähnend räkelten, ehe sie vollends aufstanden. Die Gespräche setzten wieder ein, die Menschen begannen sich zu entfernen und kehrten wieder in ihre Geschäfte zurück – oder zu dem, was immer sie getan hatten, bevor die Glocke sie zur Andacht rief.
Als ihre Begleiterinnen winkten, gehorchte Kahlan sofort und begann, den Flur entlangzugehen, der von dem offenen Platz fortführte. Nachdem sie mehrere Statuen sowie eine Kreuzung passiert hatten, schwenkten sie zur Seite des breiten Flurs hinüber. Die drei anderen Frauen blieben stehen. Kahlan wartete schweigend und beobachtete die vorübergehenden Passanten.
Nach dem langen Aufstieg über nicht enden wollende Treppen, dem endlosen Weg durch ellenlange Flure, gefolgt von weiteren Treppenstufen, und das alles gleich im Anschluss an die Reise, die sie überhaupt erst hierher geführt hatte, war Kahlan so erschöpft, dass sie fast im Stehen einschlief. Sie hätte sich liebend gern hingesetzt, war aber klug genug, nicht darum zu bitten. Die Schwestern kümmerte ihre Erschöpfung nicht, schlimmer noch, sie konnte deutlich ihre Angespanntheit und Gereiztheit spüren, insbesondere nach der unerwarteten, durch den Sprechgesang verursachten Verzögerung. Bestimmt würden sie der Bitte, sich hinsetzen zu dürfen, nicht mit Verständnis oder gar Freundlichkeit begegnen.
In ihrer derzeitigen Laune hätten sie, das wusste Kahlan, nicht die geringsten Bedenken, sie schon wegen einer solch harmlosen Anfrage zu schlagen. Vermutlich würden sie es nicht gleich hier besorgen, nicht in Gegenwart der vielen Passanten, dafür aber gewiss später. Deshalb stand sie schweigend da, versuchte, sich unsichtbar zu machen und nicht ihren Zorn zu erregen.
Das Knien eben würde ihr als Rast genügen müssen. Mehr würde man ihr gewiss nicht zugestehen.
Soldaten in schmucken Uniformen, ein Sammelsurium blank polierter Waffen griffbereit am Körper, patrouillierten in den Fluren und hatten dabei auf jeden ein wachsames Auge. Wann immer diese Wachen sie passierten, sei es zu zweit oder in einer größeren Gruppe, nahmen sie sorgfältig Notiz von den drei bei Kahlan stehenden Frauen. Die drei Schwestern taten dann jedes Mal, als bestaunten sie irgendwelche Statuen oder die kunstvollen, ländliche Szenen darstellenden Wandbehänge. Einmal drängten sie sich, um der Aufmerksamkeit der passierenden Wachen zu entgehen, sogar zu einer kleinen Gruppe zusammen und zeigten, die Soldaten scheinbar nicht beachtend, mit dem Finger auf die pompöse Statue einer Frau, die, eine Weizengarbe in der Hand, auf einen Speer gestützt stand. Dabei tuschelten sie mit lächelnden Mienen leise untereinander, als vergnügten sie sich bei einer freundlichen Plauderei über die künstlerischen Vorzüge des Werkes, bis die Soldaten weitergegangen waren.
»Würdet ihr zwei euch jetzt endlich auf diese Bank dort setzen«, knurrte Schwester Ulicia. »Ihr benehmt euch wie Katzen, die von einem Rudel Hunde beschnuppert werden.«
Schwester Tovi und Schwester Cecilia, beide
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