Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
Kopf und ließ ihr kalten Schweiß auf die Stirn treten. Als die Bilder dieser Folterqualen zurückkehrten, musste sie sich den Schweiß aus den Augen wischen. Ausgerechnet jetzt musste sie sich daran erinnern, fluchte sie leise.
Zu guter Letzt entschied sie, dass sie keine andere Wahl hatte: Sie würde es eben ausprobieren müssen.
Gleichzeitig bereitete ihr die Vorstellung bohrendes Unbehagen, etwas aus dem Garten des Lord Rahl zu entwenden. Sie waren schließlich nicht das Eigentum der Schwestern, und Lord Rahl hätte wohl kaum so viele Wachen rings um den Garten postiert, wenn ihm die Kästchen nichts bedeuten würden.
Sie war keine Diebin, aber war es die Art der Bestrafung wert, die sie im Falle einer Weigerung ereilen würde? War ihr Blut den Schatz des Lord Rahl wert? Gehörte er zu der Sorte Männer, die wollen würde, dass sie diesen Diebstahl verweigerte – und als Folge davon die Foltern der Schwestern über sich ergehen lassen müsste?
Warum, wusste sie nicht, vielleicht tat sie es nur, um ihre Zweifel auszuräumen, aber sie redete sich ein, dass Lord Rahl ihr eher raten würde, die Kästchen mitzunehmen, statt ihr Leben aufzuopfern.
Sie schlug die Lasche ihres Bündels zurück und versuchte, den Inhalt fester zusammenzupressen, doch da war kaum noch Luft. Er war bereits so fest gepackt, wie es nur irgend ging.
Getrieben von der wachsenden Sorge, sie könnte sich zu lange Zeit lassen, zerrte sie, auf der Suche nach etwas, in das sie das erste schwarze Kästchen wickeln konnte, an den Kleidungsstücken, und plötzlich kam ein Zipfel ihres glänzend weißen Kleides zum Vorschein.
Kahlan starrte auf den seidigen, fast weißen Stoff in ihren Fingern. Es war das schönste Kleid, das sie je gesehen hatte, aber wieso befand es sich in ihrem Besitz? Sie war ein Niemand, eine Sklavin. Was sollte eine Sklavin mit einem so schönen Kleid anfangen? Wieder einmal gelang es ihr nicht, ihren Verstand so weit zum Arbeiten zu bewegen, dass er diese Frage klären konnte.
Ihre Gedanken wollten sich einfach nicht zu einer schlüssigen Antwort fügen.
Sie griff sich eines der Kästchen, wickelte es in das Kleid und stopfte das Ganze in ihr Bündel, dann stützte sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf das Kästchen und versuchte, es tiefer hineinzupressen, ehe sie die Lasche schloss, um zu prüfen, ob es passte. Die Lasche bedeckte kaum die Oberseite des Kästchens, dabei hatte sie erst eines von ihnen verstaut. Es war völlig undenkbar, dass sich die anderen auch noch in ihrem Bündel verstauen ließen.
Schwester Ulicia hatte ausdrücklich darauf bestanden, die Kästchen in ihrem Bündel zu verstecken, da die Soldaten sie sonst bemerken würden. Gewiss, Kahlan selbst würden sie sofort wieder vergessen, aber die Kästchen, die sie aus dem geschlossenen Garten herauszuschaffen versuchte, würden sie wiedererkennen und augenblicklich Alarm schlagen. Kahlan war unmissverständlich klar gemacht worden, dass sie die Kästchen unbedingt verstecken musste, und doch war auf den ersten Blick zu erkennen, dass sie unmöglich alle hineinpassen würden.
Nur wenige Nächte zuvor, am Lagerfeuer, hatte Schwester Ulicia ihr Gesicht ganz dicht an Kahlans herangeschoben und ihr mit leiser Stimme und in aller Ausführlichkeit erklärt, was sie mit ihr machen würde, wenn sie sich nicht peinlich genau an ihre Anweisungen hielt.
Die Erinnerung an Schwester Ulicias Schilderungen in jener schrecklichen Nacht ließen sie am ganzen Körper erzittern; dann dachte sie an Schwester Tovi, und das Zittern wurde heftiger.
Was sollte sie nur tun?
57
Kaum hatte Kahlan einen der Türflügel mit den geschnitzten Schlangen an der Außenseite aufgestoßen, da wurde sie auch schon von den Schwestern Ulicia und Tovi erspäht, die ihr mit verstohlenen Gesten bedeuteten, zu der Stelle herüberzukommen, wo sie, ein Stück weiter den Flur entlang, auf sie warteten. Offenbar wollten die beiden unter keinen Umständen in der Nähe der mit dem Totenschädel und den Schlangen verzierten Tür gesehen werden.
Den Blick auf das Marmormuster gerichtet, um Schwester Ulicia nicht in die Augen sehen zu müssen, durchquerte sie den Korridor.
Als sie ein Stück den Flur entlanggegangen und nahe genug war, packte Schwester Ulicia sie an der Schulter ihres Hemdes und zerrte sie zu einer Mauernische in der gegenüberliegenden Wand hinüber, wo sie sogleich von den beiden Schwestern in die Mangel genommen wurde.
»Hat dich jemand aufzuhalten versucht?«, wollte
Weitere Kostenlose Bücher