Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
dir bloß etwas Gesellschaft leisten», sagte Pishda, «damit du dich nicht so alleine fühlst.» Er vervierfachte sich zur Veranschaulichung und bloppte sich dann wieder dreimal weg.
Aliyah sah ihn verdutzt an. «Wieso sollte ich mich alleine fühlen?»
«Na ja», meinte Pishda und zeichnete mit dem Finger ein Herz in den Sand, «jetzt, wo Miro und Sihana scheinbar unzertrennlich sind und Joash nur noch Augen für Katara hat, wäre es verständlich, wenn du dich alleine fühlen würdest, vielleicht sogar eine Spur eifersüchtig.»
«Danke der Nachfrage, aber es geht mir gut.»
«War ja auch nur ein Gedanke», sagte Pishda. Er schwieg eine Weile, dann fuhr er plötzlich fort: «Warum hast du eigentlich das Zeichen der Propheten gekriegt, bevor es alle andern bekamen?»
Aliyah war etwas überrascht von der Frage. «Keine Ahnung. Ist das wichtig?»
«Ich denke, du hast es als Erste gekriegt, weil du reifer bist als deine Freunde. Du siehst ja selbst, wo sie zurzeit ihren Kopf haben. Du bist die Einzige, die diese Mission wirklich ernst nimmt. Du bist besser als die andern, Aliyah. Ich wusste das vom ersten Moment an, als ich dich sah.»
«Das ist doch überhaupt nicht wahr», sagte Aliyah. Sie drehte sich Pishda zu, aber der war weg. Oder war er gar nie da gewesen? Aliyah schüttelte den Kopf und blickte wieder aufs Meer hinaus. Nach ein paar Minuten hörte sie ein Kichern, und als sie sich umdrehte, sah sie Miro und Sihana, die händchenhaltend von ihrem Spaziergang zurückkehrten. Sie schaute hinüber zum Nachtlager. Ein Feuer brannte, und Joash saß daneben und strich mit seiner Hand über Kataras Stirn. Aliyah schaute rasch wieder weg.
Bin ich etwa eifersüchtig?, überlegte sie sich auf einmal. Sie wies den Gedanken entschieden von sich. Nein, so ein Quatsch. Warum sollte ich eifersüchtig sein?
Ihre Finger wanderten zum Brandmal an ihrer Schläfe. Sie betastete es und fuhr den einzelnen Linien nach. Sie fühlte den Löwen, den Schild, auf dem seine Pranke lag, die Strahlen, die von ihm und dem Schild ausgingen.
Du bist besser als die andern, hörte sie plötzlich Pishdas Worte in ihren Gedanken widerhallen. Diese Aussage schmeichelte ihr. War sie das vielleicht wirklich? Was konnte sonst der Grund dafür sein, dass sie das Zeichen als Erste erhalten hatte? Je länger sie über Pishdas Worte nachdachte, desto stärker blieben sie in ihrer Seele haften, und als sie schließlich aufstand, um zum Lager zurückzugehen, hatte sich etwas in ihr verändert.
48
Es war mitten in der Nacht. Yasin fand keinen Schlaf. Er lag zusammen mit ungefähr dreißig weiteren Jugendlichen auf dem nackten Boden des Klassenzimmers 25 F und wälzte sich schon eine ganze Weile unruhig hin und her. Die Luft in dem Raum war stickig. Es roch nach Schweiß und feuchten Kleidern. Zudem hatte irgendjemand in Yasins Nähe furchtbar stinkende Käsefüße, und zwei Jugendliche schnarchten um die Wette. Aber das Schlimmste für den Teenager waren weder die Käsefüße, der Schweiß, der harte Boden noch das Schnarchkonzert, sondern seine eigenen wirren Gefühle betreffend der Entdeckung, die er am Morgen in der Toilette gemacht hatte. Noch wusste niemand, dass die Haut unter seinem Verband völlig gesund war. Aber was, wenn jemand dahinterkam? Was, wenn seine neuen Freunde realisierten, dass er ein Hexer war?
Plötzlich horchte Yasin auf. Er nahm Schritte und murmelnde Stimmen draußen auf dem Korridor wahr. Knarrend öffnete sich die Tür des Klassenzimmers, und Yasin spähte neugierig unter seiner dünnen Wolldecke hervor. In der Tür, eingeklemmt zwischen ein paar Soldaten mit Veolichtstablampen, stand ein Junge. Er mochte um die sechs Jahre alt sein und hatte blondes, stark gelocktes Haar. Unwillkürlich zuckte Yasin zusammen. Er erinnerte sich an das Gespräch zwischen Zarko und Boris in der Toilette. Hatte Boris nicht genau von einem solchen Jungen geredet, der seinen unscheinbaren Nachbarn als Hexer entlarvt hatte? Hatte er nicht gesagt, dieser Junge wäre so was wie ein Hexenaufspürer?!
Ein kalter Schauer lief Yasin über den Rücken, als ihm klar wurde, was das bedeutete.
Er wird mich finden! Er wird wissen, dass ich ein Hexer bin! Bei Shaíria, ich bin geliefert!
Yasin zog sich die Decke so weit über den Kopf, dass nur noch seine Augen hervorlugten. Er wäre am liebsten im Boden versunken. Bibbernd und mit pochendem Herzen lag er da und beobachtete, wie sich die Soldaten raunend mit dem Knaben unterhielten. Dieser ließ
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