Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
Köpfe aus den Fenstern. Es wurde eifrig zwischen den Zimmern hin und her diskutiert.
«Was ist denn bei euch passiert?», fragte ein Kopf aus einem Stockwerk tiefer.
«Ein Hexer!»
«Ein Hexer?»
«Wie ist er hereingekommen?»
«Wir wissen es nicht.»
«Habt ihr ihn erwischt?»
«Leider nein. Er ist uns entkommen.»
«Ich sag euch, die werden immer dreister», kam es aus einem Zimmer von links oben. «Hab gehört, ihre Truppen wären bereits im Anmarsch.»
«Sollen sie ruhig kommen!», rief Boris und streckte seine geballte Faust in die Höhe. «Wir machen sie alle platt! Tod den Hexen!»
«Tod den Hexen!», stimmten andere mit ein und schwangen ihre Fäuste aus den Fenstern.
«Tod den Hexen!», dröhnte Zarko und legte Yasin den Arm um die Schultern. Einen Augenblick lang zögerte Yasin. Er musste an den Eidechsenjungen denken. Er musste daran denken, dass es genauso gut ihn hätte treffen können. Er war einer von denen, er war sozusagen sein eigener Feind! Boris tauchte neben ihm auf, legte ihm ebenfalls den Arm um die Schultern und warf ihm einen ansteckend feurigen Blick zu.
«Tod den Hexen!», schrie der Bursche, und auf einmal spürte Yasin eine geballte Ladung an Energie in sich hochsteigen. Er pfiff auf sein Geheimnis, ballte seine Faust und streckte sie im Rhythmus des Schlachtrufes in die Höhe.
«TOD DEN HEXEN!», schrie er und schrie so laut, dass sein Kopf dabei knallrot anlief. «TOD DEN HEXEN!! TOD DEN HEXEN!!»
Es fühlte sich unglaublich gut an. Ja, schon bald würde es so weit sein. Schon bald würden sie gegen die Hexen und Hexer in den Krieg ziehen. Und er, Yasin, würde an vorderster Front kämpfen. Mann gegen Mann. Das Blut rauschte in seinem Kopf bei dieser Vorstellung.
49
Joash hatte die ganze Nacht über Katara gewacht und nur wenige Stunden geschlafen. Am Morgen wechselte er die Blätter und wickelte neue um ihren Unterschenkel. Katara kriegte davon nichts mit. Seitdem sie am vergangenen Nachmittag auf dem Strand zusammengesunken war, hatte sie ihr Bewusstsein nicht wiedererlangt. Sie hatte hohes Fieber und war nicht ansprechbar. Manchmal bäumte sich ihr Körper auf, und sie murmelte ein paar Worte vor sich hin, die aber keiner verstehen konnte. Sie aß nichts und trank nur, wenn ihr Joash etwas Wasser in den halboffenen Mund träufelte.
«Wir sollten eine Trage herstellen», sagte Joash nach dem Frühstück. «Ich glaube, es ist besser für sie, als wenn ich sie auf dem Rücken herumschleppe.»
Aliyah nickte. «Ich helf dir», sagte sie beflissen.
«Ich auch», sagte Sihana.
Sie bauten die Tragbahre und legten Katara darauf. Miro und Sihana hielten die Bahre am vorderen, Joash am hinteren Ende. Und so brachen sie auf und folgten der Küste Richtung Süden. Sie begegneten keiner Menschenseele.
Gegen Mittag kamen sie durch ein kleines Städtchen, das vollkommen zerstört war. Die Flutwelle des Asteroiden hatte ihre Spuren hinterlassen. Wie es aussah, hatte hier an der Westküste niemand die Katastrophe überlebt. Sie fanden zwischen den Trümmern der Häuser eine Menge an Büchsen, die mit allerlei Lebensmitteln gefüllt waren. Leider war das Meiste davon vergammelt und gänzlich ungenießbar, da es immerhin dreiunddreißig Jahre herumgelegen hatte. Dafür fanden sie in einem Kellergewölbe, dessen Decke offen vor ihnen lag, ein paar Töpfe Honig, Zucker, eine Pfefferdose sowie eine Zunderbox und zwei Macheten. Die Macheten hängten sich Miro und Joash an ihre Gürtel, den Zucker, den Honig, die Pfefferdose und die Zunderbox stopften sie sich in die Rucksäcke. Dann gingen sie weiter.
Am Abend schlugen sie ihr Lager in einer kleinen windgeschützten Bucht auf. Katara wälzte sich die ganze Nacht hin und her und hatte Fieberträume. Sie quasselte unverständliches Zeug im Schlaf, und Joash saß neben ihr und kühlte immer wieder ihre fiebrige Stirn mit einem nassen Tuch. Er schlief nur wenig in dieser Nacht, aber es kümmerte ihn nicht groß. Er wollte nur, dass Katara so schnell wie möglich wieder gesund würde. Jetzt, wo sie krank war, wurde ihm erst bewusst, wie viel sie ihm wirklich bedeutete.
In den nächsten Tagen blieb Kataras Zustand unverändert. Und auch sonst waren die Tage ziemlich eintönig. Sie folgten einfach immer der Küste, kamen an dem einen oder anderen zerstörten Fischerdorf vorbei und begegneten keinem Menschen. Ihre Essensvorräte neigten sich langsam dem Ende zu, und am fünften Tag ihrer Küstenwanderung kneteten sie aus einer Handvoll Mehl
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