Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
blaue Augen, die in seinem dunklen Gesicht leuchteten wie zwei kleine Sterne, und er hatte ein bezauberndes Lächeln. Er war, bis auf einen kleinen Lendenschurz, völlig nackt und dreckverschmiert.
«Warum wirst du hier gefangen gehalten?», fragte Miro.
«Lange Geschichte», winkte Pishda ab. «Kurzfassung: Ich versuche seit zwanzig Jahren auszubrechen.»
«Seit zwanzig Jahren?!», wiederholten Aliyah und Miro gleichzeitig. «Wie alt bist du denn?»
«Nach achtzig Jahren hab ich aufgehört zu zählen», erwiderte Pishda achselzuckend.
«Du bist über achtzig Jahre alt? Willst du uns auf den Arm nehmen, ey?», fragte Joash ungläubig.
Pishda lächelte. «Na ja, rein äußerlich werde ich nicht älter, das ist alles. Klingt verrückt, ist aber tatsächlich so. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich bin ein Prophet – genau wie ihr. Das ist auch der einzige Grund, warum sie mich noch nicht gefressen haben. Der Urugu-Stamm fürchtet Propheten mehr als alles andere. Sie haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit denen gemacht, die den Weg hierher gefunden haben. Wärt ihr keine Propheten, würdet ihr längst über dem Feuer braten – wie euer Freund.»
«Aber Ephrion ist auch ein Prophet!», sagte Aliyah.
«Manche sind leichter zu erkennen als andere», sagte Pishda rasch. «Na ja. Wie auch immer. Zum Reden haben wir später noch Zeit. Jetzt müssen wir erst einmal von hier verschwinden. Schneidet meine Fesseln durch! Schnell!»
Er ging in die Hocke und drehte sich zur Seite, und da sahen die Gefährten erst, dass ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren.
«Das übernehme ich», stellte sich Katara zur Verfügung. Leichtfüßig schwang sie sich auf Pishdas Ferse, und der Junge streckte ihr seine Hände entgegen. Katara zog ihren Dolch aus dem Gürtel und begann, an den Stricken herumzusäbeln. Da die Fesseln so dick waren wie ihre Hüfte, dauerte es eine Weile, bis sie sie durch hatte. Der Knabe bedankte sich, rieb sich seine Handgelenke und griff nach einer kleinen Ledertasche, die neben ihm auf dem Boden lag. Er hängte sie sich um und streckte dann den fünfen seine offene Handfläche entgegen.
«Habt keine Angst. Ich bring euch hier raus. Und euren Freund auch.»
«Wie willst du das anstellen?», fragte Miro. «Sie sind in der Überzahl!»
Der Junge lachte, als wäre das die unsinnigste Bemerkung, die er je gehört hatte. «Kommt jetzt!»
Die Jugendlichen stiegen auf seine Hand, und er hob sie behutsam hoch, führte sie zu der Ledertasche und ließ sie hineinklettern. Mit den Füßen balancierten sie auf der Kante einer Innentasche und klammerten sich mit den Armen am Taschenrand fest. Wie fünf junge Kängurus aus dem Beutel ihrer Mutter, so schauten die Gefährten über den Rand der Tasche hinaus, während Pishda sich aufrichtete und ans Gitter trat.
«So, meine Freunde», sagte er unternehmungslustig, «bald werden die Kannibalen ihr wahres Wunder erleben!» Er machte eine kurze Pause, dann runzelte er die Stirn und spitzte nachdenklich seine Lippen. «Hat jemand irgendeine Idee, wie wir hier rauskommen?»
Die Gefährten sahen verdutzt zu ihm hoch. «Heißt das, du weißt nicht, wie wir dieses Gitter öffnen können?»
«Nun ja», gestand Pishda achselzuckend. «So weit war mein Fluchtplan noch nicht ausgereift.»
«Na prima», stellte Miro seufzend fest. «Und was machen wir jetzt?»
Pishda rüttelte mit beiden Händen am Gitter, was natürlich nichts brachte. Aliyah hatte eine Idee.
«Joash, könntest du nicht die Gitterstäbe verbiegen wie damals im Kerker?»
Joash kratzte sich am Kinn. «Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass meine Kraft dafür ausreicht. Ich bin zu klein, Mann. Wir sind alle zu klein. Unsere Kräfte sind mit uns geschrumpft.»
Der Knabe mit den goldenen Locken spielte an dem eisernen Schloss herum, mit dem das Gitter versehen war.
«So was von ärgerlich», grummelte er leise vor sich hin. «Wenn ich bloß wüsste, wie wir dieses dämliche Schloss aufkriegen.»
«Wie wär’s mit einem Schlüssel?», sagte Katara wie beiläufig.
«Schlüssel ist gut», griff Pishda die Idee auf, «wenn er nicht dummerweise in unerreichbarer Ferne wäre.»
Miro reckte den Kopf. «Du weißt, wo der Schlüssel ist?», fragte er.
«Da, wo er immer ist», antwortete Pishda und deutete auf die Lehmwand des gegenüberliegenden Hauses. Trotz der Dunkelheit war die Wand gut zu erkennen, da sie zwischen den Häusern hindurch vom großen Feuer auf dem Dorfplatz beschienen
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