Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
warum, aber sie waren auf einmal oben! Ja, sie saßen alle zusammen oben auf dem Brunnenrand, und keiner konnte sich erinnern, wie sie den letzten Abschnitt zurückgelegt hatten. Es war ganz einfach geschehen! Und blitzschnell obendrein!
«Wow», meinte Katara und schaute in die Tiefe des Brunnens hinab. «Ich glaub, ich spinne! Wir sind oben!»
«Das ist ja irre, Mann», stellte Joash fest. «Leuchtkäfer, ich glaube, du kannst uns teleportieren. Genau wie dein Vater es konnte! Du hast dir gewünscht, oben zu sein, und bumm, da sind wir! Stark, ey, einfach stark!»
«Moment, ihr glaubt, ich hätte das getan?», zweifelte Sihana.
«Wer denn sonst?», antwortete Aliyah. «Wahrscheinlich sind wir auch deinetwegen in den Bottich gekommen!»
«Du meinst …»
«Es muss der Spinnenmantel deines Vaters sein, Sihana», kombinierte Miro. «Du wünschst dich an einen bestimmten Ort, und wer auch immer zu dem Zeitpunkt mit dir verbunden ist, wird mitgerissen!»
«Du glaubst, der Mantel kann mich – kann uns – an jeden beliebigen Ort teleportieren?»
«Ja, das glaube ich allerdings», grinste Miro begeistert.
«Das ist fantastisch!», rief Aliyah. «Damit können wir uns einfach zu Arlo wünschen! Oder zurück nach Dark City! Oder wo auch immer wir hingehen möchten! Ist das nicht großartig?»
«Ja, aber erst müssen wir Ephrion aus der Patsche helfen», räumte Joash ein und löste das Seil von seinem Bauch. Die andern taten es ihm gleich, und Sihana nützte die Gelegenheit, holte rasch ihre Schere aus der Handtasche und schnitt Joash die restlichen langen Filzlocken ab. «Es wäre ganz hilfreich, wenn wir nicht mehr so winzig klein wären, um uns vor wildgewordenen Froschaugen retten zu müssen», stellte Joash verärgert fest und knackte wieder mit seinen Fingern. «Dieser knochenbehangene Hampelmann kann was erleben, wenn ich wieder groß bin, das schwör ich!»
«Und wie sollen wir das anstellen?», fragte Aliyah. «Ich meine, wie können wir uns in unsere normale Größe zurückverwandeln?»
Ziemlich ratlos schauten sie sich an. Sie hatten es wohl geschafft, aus dem Brunnen zu kommen. Doch was jetzt? Was konnten sie schon ausrichten, solange sie so klein waren? Wie konnten sie den Fluch rückgängig machen? Und wie um alles in der Welt sollte es ihnen gelingen, Ephrion rechtzeitig aus den Händen der Kannibalen zu befreien?
Ihre Chancen, den Freund jemals wieder lebend zu sehen, schwanden von Augenblick zu Augenblick. Sie hörten in der Ferne den Klang von Trommeln. Sie hörten, wie die Eingeborenen ums Feuer tanzten, wie sie johlten und sangen. Sie sahen zwischen den Häusern hindurch die hohen Flammen, die gegen den schwarzen Himmel loderten. Vielleicht kam für Ephrion jede Hilfe zu spät, dachten sie. Vielleicht hatte ihn die wilde Meute bereits an der Stange übers Feuer gehängt, und es gab keine Rettung mehr. Und sie saßen hier, viel zu weit weg und viel zu klein, um irgendetwas zu bewirken und Ephrions Schicksal zu wenden. Sie hatten versagt. Sie waren so klein wie Schnecken, und genau so fühlten sie sich auch.
Während sie sich noch den Kopf darüber zerbrachen, was sie als Nächstes tun sollten, hörten sie plötzlich ganz in der Nähe ein Flüstern.
«Pssst! Hey! Ihr da! Ja, ihr! Kommt her!»
Sie schauten sich um und entdeckten neben einer der Lehmhütten eine kleine Kuppel, die aussah wie ein großer Backofen. An der Vorderseite war ein Gitter angebracht, und dahinter befand sich jemand.
«Ich kann euch helfen!», sagte die Stimme, und sie gehörte eindeutig einem Jungen. Sein Gesicht erschien am Gitter. Der Knabe mochte um die acht Jahre alt sein. Er hatte dunkle Haut und goldenes, gelocktes Haar, und es sah aus, als würde er in dem backofenförmigen Hüttchen gefangen gehalten.
«Ich weiß, wer ihr seid», sagte der Junge. «Ich habe auf euch gewartet, Propheten. Macht schnell! Wir haben nur wenig Zeit!»
Die Gefährten warfen einander zweifelnde Blicke zu. Ob das eine Falle war? Sie entschieden spontan, sich erst einmal anzuhören, was der Knabe zu sagen hatte. Vielleicht konnte er ihnen ja tatsächlich helfen. Und Hilfe hatten sie dringend nötig, so viel stand fest. Rasch kletterten sie am Brunnen herunter und eilten zu dem eigenartigen Backofengefängnis. Neugierig schauten sie an dem riesigen Jungen hoch.
«Wer bist du?», fragte ihn Aliyah.
«Mein Name ist Pishda», stellte sich der Knabe vor und ging auf die Knie, damit er den Winzlingen etwas näher war. Er hatte große
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