Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
unmöglich tun!»
«Einen Teil behaltet Ihr», sagte Arlo weiter. «Einen Teil gebt Ihr Isabella, und den dritten Teil bringt Ihr mir morgen zur Stätte der Hinrichtung.»
«Ich soll das erste Buch der Prophetie, das Original, das seit tausend Jahren von König zu König gereicht wurde, zerreißen?»
«Wenn das Wort nicht zerrissen wird, kann die Wahrheit nicht ans Licht kommen», sagte Arlo und sah jeden von ihnen an. «Und jetzt geht. Ihr habt nur wenig Zeit.»
Es hätte noch so viel zu sagen gegeben, aber ihre Seelen waren so betrübt, dass die drei Propheten keine Worte mehr fanden. Es fiel ihnen schwer, sich von ihrem König zu trennen. Und es fiel ihnen noch schwerer, zu wissen, welch grausamer Tod ihm bevorstand und dass sie ihn nie mehr wiedersehen würden.
«Lebt wohl», flüsterte Isabella schließlich und ließ ihren Tränen freien Lauf. «Wir werden Euch nie vergessen.»
Odomar schluckte. «Bis in den Tod der Eure», sagte er und legte seine Faust auf die Brust.
Eldora war die Einzige, die schwieg. Arlo sah sie an, und in seinen blauen Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck, der sie seltsam berührte. Es war, als wäre er traurig über das, was geschehen würde, nicht mit ihm – sondern mit ihr. Sie schaute zu Boden, drehte sich um und klopfte an die Tür. Die Soldaten schlossen auf, und die drei Besucher verließen schweren Herzens die Zelle.
Ein tiefes Seufzen ging durch Arlos Brust, als er wieder alleine war. Er senkte seinen Kopf, und dann konnte er seine Gefühle nicht mehr länger zurückhalten.
Er weinte.
26
Und so kam er: Der Tag, an dem Arlo sterben sollte. Der Tag, der seit tausend und abertausend Jahren prophezeit war. Der Tag, der alles verändern würde. Schon früh war das Volk auf den Beinen. Groß und Klein stürmte aus der Stadt hinaus zu dem Hügel, auf dem der König Shaírias hingerichtet werden sollte. Das Holz des Scheiterhaufens war bereits hoch aufgeschichtet. Alles war vorbereitet.
Gegen Mittag wurde Arlo aus dem Verlies geholt. Sie hatten ihn wie ein wildes Tier in einen Käfig gesteckt und auf einen Ochsenkarren geladen. Ein alter Gaul war vor den Wagen gespannt worden und zog ihn durch die holprigen Straßen. Die Leute standen zu beiden Straßenseiten und spotteten über ihn, als er an ihnen vorbeikam. Einige bewarfen ihn nur mit finsteren, feindseligen Blicken, andere hingegen mit faulen Eiern. Ein paar gingen sogar zu dem Käfig hin und spuckten ihn an. Die Soldaten, die links und rechts neben der Karre herliefen, hinderten sie nicht daran und lachten nur höhnisch.
Eine Frau mit einem Kapuzenmantel löste sich aus der Menge und ging ein paar Schritte neben dem Fuhrwerk her. Niemand beachtete sie, und das war ihr nur zu recht.
«Ich hab es», sagte sie und holte etwas unter ihrem Gewand hervor. Es war ein Bündel Pergamentseiten ohne Buchdeckel. Arlo streckte seine gefesselten Hände durch das Gitter, nahm die Seiten entgegen und ließ sie rasch unter seinem zerschlissenen, mit Blut bespritzten Hemd verschwinden. Keiner merkte es.
«Eldora», flüsterte der König, klammerte sich an die Gitterstäbe und sah die junge Frau flehentlich an. Sein Gesicht war leichenblass und von Todesangst gezeichnet. «Helft mir! Ich zerbreche beinahe unter der Last, die ich zu tragen habe. Ich schaffe das nicht! Bewahrt mich vor diesem Leiden! Ich bitte Euch, befreit mich!»
Eldora nickte eifrig. «Ich tue alles, was Ihr von mir verlangt, mein König. Gebt mir fünf Minuten, und ich komme mit einem Heer von Propheten zurück, um Euch hier herauszuholen. Euch wird nichts geschehen. Ich versprech es Euch!» Sie wollte sich eben abwenden, als Arlo sie an ihrem Gewand zurückhielt.
«Wartet!», sagte er. Er senkte den Kopf. Sein Atem ging schwer. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Ein innerer Kampf schien in ihm zu toben. Als er wieder aufsah, waren seine Augen von einer tiefen Traurigkeit erfüllt. Seine Stimme klang wie ein Wispern.
«Nein. Tut es nicht.»
«Seid Ihr Euch sicher?», fragte ihn Eldora. «Ein Wort von Euch, und …»
«Nicht, was ich will, soll geschehen», hauchte Arlo schwach.
Eldoras Augen füllten sich mit Tränen. «Aber, mein König …»
«Weint nicht um mich, weint um Euch», sagte Arlo, und wieder sah er sie mit diesem eigenartig ahnungsvollen Blick an. «Ihr müsst gehen, Eldora. Meine Stunde ist gekommen.»
Eldora wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann wandte sie sich ab und verschwand in der johlenden Menge am Straßenrand.
Der Gaul
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