Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
wann wir die Sonne wieder sehen. Dieser Nebel macht mich jetzt schon krank.»
«Meine Frau sagt, es wäre der Fluch Gottes, der uns getroffen hat.»
«Und was ist mit Arlo? Ich habe gehört, die Flammen hätten ihm nichts anhaben können und er wäre noch am Leben.»
«Ich habe gehört, es wäre gar nicht Arlo gewesen, den wir verbrannten, sondern ein Prophet, der seine Gestalt annahm, während er selbst noch vor Sonnenaufgang aus dem Kerker entfloh.»
«Das hab ich auch gehört.»
«Es wird gemunkelt, er würde zurückkehren und dann Rache nehmen.»
Während sich alle eifrig über die Ereignisse des vergangenen Tages unterhielten, stand Drakar am Fenster, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, und sah voller Grimm in die trübe Nebelsuppe hinaus.
Mangol ergriff das Wort. «Es ist zweifellos schlimm, was geschehen ist. Eine Katastrophe, deren wahres Ausmaß wir noch kaum ermessen können. Aber was wir im Moment mehr fürchten sollten als alles andere, ist die Stimme des Volkes. Die Zunge ist bloß eine kleine Flamme, doch sie kann einen ganzen Wald in Brand stecken. Wenn wir zulassen, dass diese Gerüchte sich verbreiten, könnten sehr schnell wir diejenigen sein, die auf dem Scheiterhaufen landen. Wir müssen das Volk für uns gewinnen.»
«Und wie sollen wir das anstellen?», fragte jemand. «Es ist nicht zu bestreiten, dass Arlo Recht hatte. Er hat eine Katastrophe prophezeit, und sie ist eingetroffen. Was wollt Ihr dem entgegenhalten?»
«Den Schuldigen!», antwortete Drakar und drehte sich um. Er sah die Männer mit einer eisernen Entschlossenheit an. «Wir geben Ihnen den Schuldigen.»
Die Versammelten schienen nicht zu verstehen, was er damit meinte, und warfen sich gegenseitig verstörte Blicke zu. Drakar trat vom Fenster weg und blieb vor dem Tisch stehen.
«Ich möchte euch Professor Tremor vorstellen», sagte er. «Er ist Wissenschaftler und war so freundlich, ein paar Berechnungen anzustellen, um uns zu erklären, was gestern vorgefallen ist. Professor, bitte.» Er übergab das Wort einem kleinen Mann mit einer runden Brille und einem gezwirnten Schnauzbart. Der Mann räusperte sich und blätterte eifrig in seinen Unterlagen.
«Nun, unseren Berechnungen zufolge ist der glühende Berg – es dürfte sich dabei um einen Asteroiden handeln – mit größter Wahrscheinlichkeit an der Nordwestküste unserer Insel ins Meer gestürzt», sagte der Professor, ohne den Blickkontakt seiner Zuhörer zu suchen. «Wir gehen davon aus, dass er die Küste mehr oder weniger zum Kochen brachte», erklärte er nüchtern.
Er rückte sich seine Brille zurecht und arbeitete sich durch mehrere Blätter hindurch, die mit handgezeichneten Skizzen und unmöglich langen Zahlenwürmern und Formeln vollgekritzelt waren. Seine Stimme klang eher, als würde er ein mathematisches Problem abhandeln und nicht über eine tatsächlich eingetroffene Naturkatastrophe reden.
«Durch den Einschlag enstand eine Flutwelle aus Feuer und brodelndem Wasser, die über die gesamte Insel hinwegpeitschte.»
«Wie viel, glaubt Ihr, wurde dadurch zerstört?», fragte einer der Männer.
«Nun … je nach Durchmesser des Asteroiden, der beim Aufprall freigesetzten Energie, der daraus resultierenden Höhe der Flutwelle und ihrer Reichweite …» Professor Tremor wühlte sich erneut durch seine Notizen und blieb an einer Formel hängen, die fast eine ganze Seite ausfüllte und sogar noch dem Rand entlang weiterging. Er betrachtete das Zahlenmonster und schien im Kopf nochmals zu kalkulieren, ob seine Berechnungen stimmten. Dann sah er zum ersten Mal hoch, was die Tragik seiner Schlussfolgerung umso mehr herausstrich.
«Wir müssen davon ausgehen, dass Shaíria komplett zerstört wurde. Menschen, Tiere, Pflanzen, die gesamte Vegetation. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand außerhalb der Mauer diese Katastrophe überlebte, ist minimal, ich würde sogar sagen: gleich null.» Er schob sich seine Brille, die ihm wieder Richtung Nasenspitze gerutscht war, hoch. «Hätte uns die Mauer nicht geschützt, wären wir nicht mehr hier.»
Betretenes Schweigen. Jeder versuchte sich innerlich vorzustellen, wie die Insel jetzt wohl aussah. Sie mussten auch an all diejenigen denken, die zurückgeblieben waren und in der Flutwelle ihren Tod gefunden hatten. Allein die Vorstellung, von einer siedenden Welle überrollt zu werden, jagte ihnen eine Gänsehaut über den Rücken.
«Die Mauer war also tatsächlich zu unserem Schutz?»
«Absolut»,
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