Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
nächste Gasse zu, die genauso überfüllt war. Noch schlimmer: Hier standen die Menschen wie angewurzelt da, weil sie der Aufführung einer Posse unter freiem Himmel zuschauten. Und die ersten
zwei Verfolger sah ich bereits in die Gasse einbiegen. Wir steckten in der Klemme. Und falls unsere Verfolger in dieser Menschenmenge Schwerter zogen, würde das Blut Unbeteiligter fließen.
»Also gut, jetzt bin ich offen für Vorschläge«, rief ich Anders laut zu, um die Musik und die lauten Jubelrufe ringsum zu übertönen.
Seelenruhig zog Anders einen kleinen Beutel aus der Satteltasche, spannte die Armbrust, befestigte den Beutel an der Spitze des Bolzens und schoss ihn auf die Verfolger ab. Ich war beeindruckt: Obwohl er die Armbrust nur mit einer Hand bediente und auf einem Pferd saß, das von allen Seiten bedrängt wurde, gelang es ihm, den Kopf des auf uns zulaufenden Verfolgers lediglich zu streifen. Als sich der Bolzen danach in eine hölzerne Abfalltonne bohrte, riss der Beutel auf, und es ergossen sich Münzen über den Boden.
Die beiden Männer, die ihren Kumpanen vorausgeeilt waren, machten auf der Stelle kehrt und rannten auf das Gold zu. Gleichzeitig stürzten sich auch die übrigen Verfolger auf die Münzen, gefolgt von zahlreichen Schaulustigen.
»Verdammt, wie viel Geld war das?«, fragte ich.
»Genügend, um sie eine Weile abzulenken. Und jetzt kannst du zur Abwechslung mal mir folgen.«
Er überholte mich und lenkte sein Pferd durch die schmale Passage, die zwischen der Menschenmenge und den Gebäuden entstanden war. Sein Reittier beeindruckte mich: Vorsichtig wich es den auf dem Boden liegenden Trunkenbolden und glitschigen Stellen aus. Bald waren kaum noch Menschen zu sehen, und wir erreichten den Stadtrand. Die Gasse ging hier in eine recht breite Landstraße
über, die, wie wir trotz der Dunkelheit erkannten, nach Norden führte. Wir ritten weiter, bis wir genügend Abstand zur Stadt hatten, um jeden Verfolger frühzeitig zu bemerken. Schließlich hielten wir an, damit sich unsere Pferde kurz ausruhen konnten.
»Danke«, sagte ich.
»Mach ja nur meine Arbeit«, wehrte er bescheiden ab.
»Hast du Lust, mir zu erzählen, worin diese Arbeit besteht?«
Als er in seine Jacke griff, zückte ich sofort mein Schwert und hielt es ihm erneut vor die Kehle. »Ruhig Blut, Kamerad«, sagte ich. »Wir sind nicht mehr in Eile.«
»Ist ja gut«, erwiderte er leichthin und zog mit zwei Fingern ein eng zusammengerolltes Pergamentblatt heraus, das ein Wachssiegel trug. »Ich bin doch nur der Bote.«
Ich erkannte das Wachssiegel, und als ich es aufbrach, pochte mir das Blut in den Ohren. Ich stellte mich so hin, dass ich das Schriftstück in dem Lichtschein, der von der Stadt kam, entziffern konnte. Die Nachricht war kurz und wie alle klaren Botschaften so abgefasst, dass mir kein Handlungsspielraum blieb. »Eigentlich müsste ich dieses Ansinnen zurückweisen«, sagte ich, während ich das Pergament wieder zusammenrollte und in der Satteltasche verstaute.
»Er hat gesagt, das würdest du nicht«, erwiderte Anders grinsend.
»Was hat er dir noch gesagt?«
»Dass ich dir trauen könne. Und dich nicht anlügen dürfe.«
Ich nickte. »Ein guter Rat. Aber warum bist du mir so lange gefolgt, ohne mich anzusprechen?«
»In Neceda wollte ich dich ja aufsuchen, aber als ich dort ankam, warst du gerade im Aufbruch. Ich sah dich aus der Schenke unter deinem Bureau herauskommen, aber dass du es warst, erfuhr ich erst von dem Schankmädchen.«
»Hat sie das sofort ausgeplaudert?«
»Selbstverständlich, nachdem ich ihr fünf Goldstücke und mein schönstes Lächeln geschenkt hatte. Allerdings hat sie mich angelogen, als ich wissen wollte, in welche Richtung du dich gewandt hast. Aber nachdem sie dich beschrieben hatte, war mir klar, wo ich dich finden würde. Ich bin sofort zum Fluss geritten, aber mittlerweile warst du schon auf dem Lastkahn. Also beschloss ich, dir zu folgen und auf eine Gelegenheit zu warten, unter vier Augen mit dir zu reden.« Er zuckte die Achseln. »Nur kam dauernd was dazwischen.«
»Wie diese Straßenräuber?«
»Stümper«, schnaubte er verächtlich. »Hätten sie gewusst, wann es Zeit ist, die Fliege zu machen, könnten sie noch leben.«
Ich hatte die Botschaft noch nicht richtig verdaut und sinnierte darüber, was sie für mich bedeutete. »Wir sollten jetzt wohl besser weiterziehen«, sagte ich schließlich und wies auf die mondbeschienene Straße vor uns. »Also, übernehmt die
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