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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Weile beobachtet hatte) irgendeinem finsteren Geheimnis zuschrieb, das der Archon mir anvertraut habe, während es in Wirklichkeit nur die Erinnerung an Dorcas und das Bettlermädchen, das ich mit ihr verwechselte, war. Er sagte: »Es warten draußen zwei gute Kameraden, Liktor. Sie sind zum Aufbruch bereit und werden so lange warten, bis Ihr zurückkehren wollt.«
    Ich begrüßte das, woraufhin er sich sofort abwandte, als sollte ich ihm nicht anmerken, daß er mehr wisse oder zu wissen glaube, als er geäußert habe; aber seine steifen Schultern, sein verzogener Nacken und die schnellen Schritte, womit er sich zur Tür begab, verrieten mehr, als seine starren Augen es je vermocht hätten.
    Meine Begleiter waren bullige Männer, die wegen ihrer Leibeskräfte als meine Eskorte ausgewählt worden waren. Ihre schweren Eisenschlüssel schwingend, gingen sie, als ich, Terminus Est über die Schulter gehängt, durch die krummen Gassen schritt, links und rechts von mir, wenn der Weg breit genug war, oder vor und hinter mir, wenn es an Platz fehlte. Am Ufer des Acis angekommen, entließ ich sie, wobei ich ihnen, um sie gewillter zu machen, mich allein zu lassen, gestattete, den Rest des Abends nach eigenem Gutdünken zu verbringen, und mietete einen schmalen, kleinen Kaik (mit einem bunt bemalten Baldachin, dessen ich nun am Ende der letzten Tageswache nicht mehr bedurfte), der mich stromaufwärts zum Palast bringen sollte.
    Das war meine erste Fahrt auf dem Acis. Als ich im Heck zwischen dem Rudergänger und Besitzer und seinen vier Ruderern Platz nahm und der klare, eisige Fluß so dicht an mir vorbeiströmte, daß ich, wenn ich gewollt hätte, beide Hände ins Wasser hätte hängen lassen können, schien es mir unmöglich, daß diese zerbrechliche hölzerne Schale, die von der Fensterlaibung unseres Turms nur wie ein tänzelndes Insekt wirken mußte, auch nur eine Spanne gegen die Strömung zu gewinnen vermöchte. Sodann gab der Rudergänger sein Kommando, und es ging los; wir blieben der Sicherheit wegen in der Nähe des Ufers, schnellten jedoch anscheinend über den Fluß wie ein geworfener Hüpfstein, so flink und abgestimmt tauchten die acht Ruder ein und so leicht und schmal und glatt war unser Gefährt, das mehr durch die Luft als durchs Wasser glitt. Eine fünfeckige Laterne mit amethystenen Glasscheiben baumelte vom Achtersteven; im selben Augenblick, als ich in meiner Unbedarftheit glaubte, sogleich erfaßte uns die Strömung mittschiffs, brächte uns zum Kentern und spülte uns sinkend zum Capulus, zurrte der Steuermann das Ruder fest und entzündete den Docht.
    Er war natürlich im Recht und ich im Unrecht. Als sich das Türchen der Laterne hinter der buttergelben Flamme schloß und violettes Licht entströmte, ergriff uns ein Strudel, wirbelte uns herum und schwemmte uns flugs an die zweihundert Schritt flußaufwärts, während die Ruderer die Riemen einlegten, so daß wir in eine kleine Bucht getragen wurden, die still wie ein Mühlteich und halb mit reich geschmückten Prunkbarken gefüllt war. Ufertreppen – ähnlich jenen des Gyolls, wo ich als Knabe gebadet hatte, jedoch viel sauberer – führten aus dem Wasser zu den strahlenden Fackeln und kunstvollen Toren des Palastgartens empor.
    Diesen Palast hatte ich schon oft von den Vincula aus gesehen, wußte also, daß es sich um keine unterirdische, dem Haus Absolut nachgebildete Anlage, die ich ansonsten erwartet hätte, handelte. Ebensowenig glich er unserer düsteren Zitadelle – offenbar wähnten der Archon und seine Vorgänger die Stadt genügend gesichert durch die wehrhafte Burg Acies und den Capulus, die ja durch Mauern und Befestigungen entlang der Bergkämme doppelt miteinander verbunden waren. Hier bildeten Buchsbaumhecken die Wälle, die lediglich neugierige Blicke abschirmen und vielleicht Gelegenheitsdiebe abhalten sollten. Bauten mit vergoldeten Kuppeln standen im verschwiegenen, farbenprächtigen Lustgarten; von der Fensterlaibung des Turmes aus hatten sie ausgesehen wie abgefädelte, auf einem gemusterten Teppich verstreute Chrysolithen.
    Die Kunstschmiedetore sicherten Wächter, abgesessene Kavalleristen mit stählernem Harnisch und Helm, flammenden Lanzen und langen Reiterspadas; aber sie erweckten den Anschein von Laien und Statisten; wirkten wie gutmütige, zähe Männer, welche diese Pause von laufenden Gefechten und zugigen Wachgängen genossen. Die beiden, denen ich meine runde, bemalte Karte zeigte, warfen nur einen flüchtigen

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