Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
nickte. »So ist es.«
»Klingt vernünftig«, meinte auch Rainulf.
»Den Bären aufteilen, bevor man ihn erlegt«, johlte Hamo. »Äußerst vernünftig.«
Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.
Ich war jedoch ebenso verwirrt wie Herman. Die Lage für uns Normannen schien mir doch weniger rosig, als wir bisher angenommen hatten. Ein bisschen war ich auch ärgerlich auf Reynard. Vielleicht hatte er uns noch mehr verschwiegen.
Ein paar Wochen später, es war inzwischen November geworden und Winterstürme fegten übers Land, da erreichten wir endlich die fruchtbare Ebene der Campania und die an ihrem nordöstlichen Ende gelegene Stadt Capua des gleichnamigen lombardischen Fürstentums.
Natürlich waren wir noch nicht am Ziel, und doch gehörte Capua schon zu der Region, in der wir unser Glück machen wollten. Robert wollte sich diesmal nicht schäbig zeigen und beschloss, sein letztes Geld auszugeben. Zum ersten Mal auf dieser Reise quartierte er uns in einer Herberge ein. Die meisten würden zwar auf den Bänken im Schankraum schlafen müssen, aber bei dem schlechten Wetter war das immer noch besser als im Freien.
Neugierig sahen wir uns um. Capua war winzig im Vergleich zu Rom, aber wohlhabender. Die Befestigungen waren in gutem Zustand, es gab nicht zu viel Unrat in den Gassen, und die üblichen Bettler hielten sich in Grenzen. Die Einwohner aber sprachen ein Kauderwelsch, das außer Reynard niemand verstand. Sie waren kleiner als wir und dunkler, obwohl es auch einige Blonde oder Rothaarige gab. Waren das die Nachkommen der ehemaligen Einwanderer aus dem Norden, der Lombarden? Wenn ja, so hatten sie ihre alte Stammessprache längst vergessen, genauso wie wir Normannen auch kein Nordisch mehr sprachen.
Aber wohin wir auch kamen, wurden wir an Reynards Worte erinnert, denn besonders freundlich schienen sie uns nicht gesinnt zu sein. Bisher, auf der Wanderschaft durch das reiche Italia, waren wir für die Einheimischen nicht mehr als bewaffnetes Gesindel gewesen. Man hatte uns kaum beachtet. Hier in Capua aber machte es gleich die Runde, dass ein Trupp Normannen angekommen war. Man begegnete uns mit Neugier und Respekt, wenn auch nicht mit Wohlwollen. Die Leute beobachteten uns scheu, fast furchtsam, bekreuzigten sich oder wechselten die Straßenseite, wenn wir irgendwo auftauchten. Besonders die Christenpriester beäugten uns mit Unmut und unterdrücktem Zorn.
»Sieht aus, als ob es schlimmer geworden ist, seit ich das letzte Mal hier war«, meinte Reynard nachdenklich, als eine alte Vettel vor uns ausspuckte und das Zeichen gegen den bösen Blick machte.
»Was haben die gegen uns?«, fragte ich.
Er lachte nur. »Du wirst es noch früh genug herausfinden.«
Mich bedrückte diese Feindseligkeit. Ich hatte mir einen anderen Empfang erhofft. Schließlich hatten unsere Männer für diese Lombarden ihr Blut vergossen. Wussten sie das nicht zu schätzen?
Die Stadt Capua lag in einer Schlaufe des fiume Volturno und bestand aus verschlungenen Gassen und eng aneinandergequetschten Häusern. Überall gab es Christenschreine zur Heiligenanbetung. Auf verschiedenen Plätzen wurden Märkte aller Art abgehalten, vom Viehhandel bis zum Tausch von Waren aus den Ländern des Mittelmeeres, und auf den Bänken der Geldwechsler häuften sich Münzen aus aller Welt. Für einen Landjungen wie mich ein Paradies des Wohllebens und Luxus. Am meisten erstaunte mich, wie reich und bunt die Höhergestellten gekleidet waren. In glänzenden Stoffen, die ich noch nie gesehen hatte. Wir dagegen sahen wie Bettler aus in unseren sonnengebleichten Fetzen.
Und was für hübsche Weiber es gab. Zierlich anzusehen mit enggeschnürten Taillen, keck geschwungenen Lippen und dunklen Augen unter reichbestickten Hauben. Nur schade, dass sie uns auswichen, wenn wir sie ansprachen.
»Hier quatscht man keine Frauen auf der Straße an, merkt euch das«, wies Reynard die allzu Forschen zurecht. »Verstehen tun sie euch ohnehin nicht.«
Wir schlenderten weiter. Ich konnte meinen Blick nicht von den Auslagen auf den Ständen reißen. Duftende Kräuter und Gewürze, feinste Stoffe, Leder so weich wie Kinderhaut, Kelche aus getriebenem Silber, elfenbeinerne Ohrhänger, Ringe und Armreifen.
Plötzlich erfasste mich ein unwiderstehliches Verlangen, etwas für Gerlaine zu erstehen, ein Geschenk. Sie war in der Herberge geblieben, um sich zum ersten Mal seit langem in einem richtigen Zuber zu waschen. Und ich stand hier auf dem Marktplatz und starrte
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