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Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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ich ihr nachschaute, fiel mein Blick auf eine andere junge Frau am Eingang der Halle, begleitet von ein paar Bewaffneten. Die hohe Gestalt, das helle Haar und ihre Kleidung ließen auf eine Normannin schließen und eine edle Dame dazu. Etwas verloren stand sie da und sah sich suchend um.
    Da wurde auch Girard auf sie aufmerksam, eilte ihr entgegen und führte sie an unsere Tafel. In der Halle war es still geworden, nur das Knistern des Feuers war zu hören, denn der ganze Saal voll rauher Gesellen hatte nichts Besseres zu tun, als zu glotzen und jeden Schritt ihres anmutigen Gangs zu beobachten.
    An unserer Tafel angelangt, hatten die Männer den Anstand, sich eiligst zu erheben. Es war, als wäre eine Jungfrau aus Walhall unter uns getreten, schön wie eine Frühlingsblume. Und ebenso jung, kaum älter als ich. Ein weiter Schal schützte ihre Schultern gegen die Nachtkälte, das dunkelblaue Überkleid bildete einen hübschen Gegensatz zu ihrem offenen Haar. Darunter trug sie eine weiße Seidentunika, die bis auf die Füße fiel und den schlanken Leib bei jeder ihrer Bewegungen umschmeichelte.
    »Robert, ich möchte dir Alberada vorstellen«, sagte Girard. Den anderen war sie anscheinend bekannt.
    Irgendetwas schien mit Roberts Stimme passiert zu sein, denn er sah sie unverwandt an, bekam aber keinen Ton heraus. Mit scheuem Lächeln reichte sie ihm die Hand, die er gar nicht mehr loslassen wollte, während er stumm und wie vom Donner gerührt in diese leuchtend blauen Augen blickte. Ihre goldblonden Locken umrahmten ein Gesicht von milchweißer, makelloser Haut, hohen Wangenknochen und vollen Lippen, jetzt leicht geöffnet, so dass sie etwas kindlich atemlos wirkte. Sie errötete und senkte den Blick.
    Robert schien sich aus seiner Starre zu lösen, beugte sich vor und küsste ihr die Hand. Etwas zerstreut nickte Alberada auch Rainulf und mir zu und ließ sich neben Girard auf der Bank nieder, wo Onfroi ihr Platz gemacht hatte. Sie kam mir in dieser Männerrunde etwas schüchtern vor. Und doch war ich sicher, dass sie sich ihrer Wirkung durchaus bewusst war. Sogar Onfroi beeilte sich, ihr einen sauberen Becher mit Wein zu füllen, den sie mit einem dankbaren Augenaufschlag entgegennahm.
    Es stellte sich heraus, dass sie Girards Tante war. Kaum zu glauben, war sie doch um so vieles jünger als er. »Meines Vaters Halbschwester«, erklärte er. »Unser Großvater hat noch mal spät geheiratet, der alte Lustmolch.«
    »Kein Wunder, wenn die Mutter so hübsch wie Alberada ist«, warf Onfroi mit einem Augenzwinkern ein. »Wer kann da widerstehen?«
    Sie lächelte scheu. Dann bekam sie feuchte Augen. »Sie sind beide tot«, sagte sie. »Letztes Jahr starb auch Mutter.«
    Girard nickte. »Ich habe Alberada holen lassen. Seit kurzem lebt sie hier in meinem Haus in Melfi, und Drogos Hochzeit ist eine Gelegenheit, sie mal unter Menschen zu bringen.«
    Und so plauderte man unverfängliches Zeug. Den ganzen Abend brachte Robert kaum ein Wort über die Lippen. Immer wieder, obwohl er es zu verbergen suchte, ruhten seine Augen auf diesem anmutigen Geschöpf. Auch sie war sich seiner Blicke wohl bewusst, das war nur allzu deutlich. Oha, dachte ich. Da bahnt sich etwas an.
    Nach dem Mahl erhob ich mich, um meine Freunde in der Scheune zu besuchen, hatte ich sie doch wirklich ein paar Tage lang nicht gesehen. Als ich vor die Tür trat, war die Nacht schwarz wie Odins Raben, kein Mond am Himmel, nur der schwache Schein eines Wachfeuers am Burgtor. Ich blieb einen Augenblick lang stehen, um meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, und zog die kalte Winterluft tief in die Lungen, froh, den Braten- und Bierdünsten in der Halle entkommen zu sein.
    Plötzlich hörte ich ein winziges Geräusch, spürte, wie jemand mich sanft bei der Hand fasste. Ein kleiner, kaum wahrnehmbarer Schatten tauchte vor mir auf, zwei weiche Hände, die mein Gesicht umfassten, ein flüchtiger Kuss und gleichzeitig dieser betörende Mädchenduft. Als ich nach ihr greifen wollte, entglitt sie mir. Nur ein Kichern vernahm ich und leichte Schritte, die sich rasch entfernten.
    »Elda«, rief ich. »Bist du das?«
    Die Antwort war ein helles Mädchenlachen, dann eine Tür, die zugeschlagen wurde.
    *
    Nach dieser kurzen, hautnahen Begegnung mit Elda – ich war mir sicher, dass sie es gewesen war – traute ich mich nicht, Gerlaine unter die Augen zu treten. Der unerwartete Kuss brannte mir noch allzu deutlich auf den Lippen. Ich verzichtete deshalb auf den Besuch

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