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Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Dorf war in Aufruhr. Kinder plärrten, alte Weiber wehklagten, Männer stellten sich angstvoll vor ihre Frauen. Dabei hatten wir gar nicht vor, ihnen Gewalt anzutun. Nur ein alter Mann stürzte unglücklich und schlug sich die Stirn blutig, als er sich nicht von einer lumpigen Handvoll Münzen trennen wollte. Ein beleibtes Weib, dem Hamo ein Kruzifix vom Hals gerissen hatte, schlug ihm wütend ins Gesicht, woraufhin er im Zorn seinen Dolch zog. Doch Rainulf rief ihn scharf zur Ordnung und erinnerte ihn an Roberts Befehle.
    Das Kloster lieferte die meiste Beute. Wir entzündeten Fackeln und fanden goldene Gerätschaften, darunter eine edelsteinbesetzte Monstranz, die sie für die Messe verwendeten. In der Krypta war ein Schrein mit dem in Gold gefassten Schädelknochen ihres Heiligen. Außerdem eine Truhe voller Münzen, die wir aufbrachen. Das waren die Spenden der frommen Pilger.
    Der Abt des Klosters, ein alter, dicker Mönch, verfluchte uns bis in alle Ewigkeit und konnte dennoch nicht verhindern, dass wir das große silberne Kreuz von der Wand nahmen und in Stücke hackten, um es besser wegtragen zu können.
    Nicht wenige der Kameraden schlugen mir zufrieden auf die Schulter, obwohl ich doch gar nicht viel geleistet hatte. Als ich nach Gerlaine suchte, fand ich sie im Hof mit einer Fackel in der Hand. Sie beleuchtete die Züge des Mönches, den Thores Pfeil niedergestreckt hatte. Er saß gegen die Kirchenmauer gelehnt und hatte Mühe, zu atmen. Thores Pfeil hatte ihm die Lunge durchbohrt. Aus dunklen Augen voller Schmerz blickte er zu ihr auf. Gerlaine kniete neben ihm und nahm seine Hand.
    »Perdona me, padre«, murmelte sie. »Bitte vergib mir.«
    Ich fasste sie am Arm und zog sie langsam weg. Mit einem Lungenschuss würde der Mann die Nacht nicht überleben.
    »Es ist der Priester, der uns gesegnet hat«, murmelte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen.

Monte Gargano
    B eim ersten Licht hatte das Plündern ein Ende. Unsere Beute steckten wir in leere Säcke, die wir gefunden hatten, und schlangen sie uns auf den Rücken. Damit verließen wir das Dorf und kehrten laut singend zum Lager zurück.
    »He, Hamo«, spottete Ragnar. »Vielleicht wollte die Dicke dich nur küssen. Du hättest zuvorkommender sein sollen.«
    Hamo nickte. »Du hast recht. Und schon wieder eine gute Gelegenheit verpasst.«
    So frotzelten sie im Überschwang und zogen sich gegenseitig auf, nur Gerlaine war die Einzige, die keinen Gefallen daran fand.
    »Seid ihr jetzt Helden, weil ihr arme Leute beraubt hat?«, murrte sie. »Nichts gegen Priestergold, aber Kindern das Brot vom Munde stehlen …«
    »Ich hab niemandem sein Brot gestohlen«, erwiderte Herman entrüstet. »Silber kann man nicht essen.«
    »Die können noch froh sein«, knurrte Ragnar. »Daheim hätte man ihnen das Dach über dem Kopf angezündet.«
    Da hatte er nicht unrecht, besonders wenn ich bedachte, wie mein eigenes Dorf abgebrannt und meine Mutter und andere umgebracht worden waren.
    »Ist es wegen des Priesters?«, fragte ich Gerlaine.
    »Das auch. Ich habe doch gesagt, es stirbt jemand, den ich kenne.«
    Da wurde mir wieder unheimlich zumute, obwohl ich an Gerlaines Eingebungen schon gewöhnt war.
    Als wir das Lager erreichten, wollten die anderen, die zur Bewachung zurückgeblieben waren, gleich sehen, was wir erbeutet hatten. Und natürlich mussten wir alles erzählen. Mein Sturz von der Mauer sorgte für viel Heiterkeit, und doch schien mein Ansehen unter den Männern gestiegen zu sein. An Schlaf war jedenfalls nicht zu denken.
    »Wer reden kann, kann auch marschieren«, sagte Robert und befahl den Aufbruch.
    Es war ihm wichtig, die Gegend rasch zu verlassen. Unsere Räubereien mussten sich herumgesprochen haben. Wer konnte wissen, ob wir nicht doch von einer Kriegerhorde aus Benevento verfolgt würden? Also brachen wir das Lager ab, sattelten die Pferde und machten, dass wir davonkamen.
    Tagelang marschierten wir in nordöstlicher Richtung hügelauf und hügelab, die Berge schienen kein Ende zu nehmen. Im Gegenteil, sie türmten sich noch höher in den Himmel, und die menschlichen Behausungen wurden seltener und ärmlicher. Auf Siedlungen stießen wir kaum noch, nur auf vereinzelte Schafhirten in den Talsohlen oder auf Köhler, die ihre Ware aus den Wäldern karrten. Auch wenn man in den Nächten nach wie vor erbärmlich fror, tagsüber wurde es jetzt angenehmer. In den Ritzen zwischen Felsen und auf winterdürren Wiesen kämpften sich die ersten

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