Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
unterschätzen.
Das Wichtigste für unsere kleine eingeschworene Truppe war, dass Robert und Rainulf endlich frei waren. Auch wenn es hieß, dass wir nun wieder auf der Straße waren und in diesen fernen, unbekannten Süden marschieren mussten, von dem man sich nichts Gutes erzählte. Zumindest besaßen wir nun alle Pferde, wenn wir ansonsten auch wieder bettelarm waren. Doch das machte den Jungs nichts aus, denn sie trauten Robert zu, selbst aus dem größten Misthaufen noch Gold zu zaubern.
Nur Gerlaine bereitete mir großen Kummer.
»Ich komme diesmal nicht mit«, sagte sie.
»Aber warum nicht?«
»Ich habe das Räuberleben satt. Besonders wenn ihr Menschen ausraubt, die es nicht verdient haben. Deshalb bleibe ich bei Alberada.«
Wir hielten uns lange an den Händen und weinten bittere Tränen, denn uns beiden tat der Abschied weh, aber von ihrem Entschluss ließ sie sich nicht abbringen.
»Gib gut auf dich acht«, sagte sie. »Damit du heil zu mir zurückkommst.«
Am Vortag unserer Abreise bat sie Reynard, die Worte »Sieg und Leben« in Runenschrift in mein Schwert zu ritzen. Als es fertig war, ritten Gerlaine und ich ein Stück weit in die umliegenden Hügel, wo wir tief im Wald eine stille Lichtung fanden.
Dort legten wir einige Steine so, dass sie einen Kreis bildeten, und in der Mitte entzündeten wir ein großes Feuer. Lange saßen wir eng umschlungen an einen Baum gelehnt und starrten in die Flammen. Als das Holz fast niedergebrannt war, warf sie unter geflüsterten Zaubersprüchen Kräuter ins Feuer und atmete deren Rauch ein, bis ihr fast die Sinne schwanden. Schließlich schob sie die Klinge in die Glut. Und als diese begann, sich rot zu färben, legte Gerlaine sie auf den Waldboden, wischte mit etwas Moos die Inschrift sauber und ließ mein Blut aus einem kleinen Schnitt am Unterarm auf die Runen tropfen, wo es zischend verdampfte und die Schrift sichtbar hervortreten ließ.
»Sieg und Leben«, murmelte sie. »Bei Odin, Tyr und Frija, bei allen Göttern unserer Väter. Dieses Schwert soll dich beschützen und über deine Feinde triumphieren lassen, wo immer du auf Erden wanderst.«
Danach war sie so erschöpft, dass sie an meiner Brust in einen tiefen Schlaf fiel.
Der Statthalter von Bisignano
I ch hatte schon fast vergessen, dass mein herrliches Schwert einmal Osbert gehört hatte, so vertraut war sein Gewicht an meiner Hüfte geworden. Doch nun, durch Gerlaines nächtlichen Zauber, hatte es sich in einen Gegenstand der Magie verwandelt, in ein Kleinod, das mich beschützen und stark machen sollte, mit dem ich aber achtsam umzugehen hatte.
Im Morgengrauen brachte ich Gerlaine zu ihrer neuen Heimstatt, wo wir auch Robert vorfanden, der sich von seiner Alberada verabschiedete. Ihr Gesicht war geschwollen, und die Augen gerötet. Man merkte ihr an, dass sie sich bemühte, die Tränen zurückzuhalten. Als Gerlaine ihre neue Herrin so aufgelöst sah, bekam auch sie feuchte Augen und umarmte mich, als wollte sie mich nie mehr loslassen.
»Jetzt ist es aber genug«, murrte Girard. »Ist ja nicht so, als ob die beiden nicht wiederkämen.«
Doch das führte zu noch mehr Schwüren, Küssen und Umarmungen, bis wir uns endlich losreißen konnten. Girard begleitete uns bis zum Sammelplatz, wo die Truppe schon bereitstand. Auch Thore sah etwas mitgenommen aus, dass er seine beiden Hübschen zurücklassen musste. Aber so ist das Los der Krieger.
Neben meiner guten Alba führte ich noch Gerlaines Stute am Halfter, die sie nicht mehr brauchen würde.
»Nimm«, sagte ich zu Ivain und drückte ihm die Zügel in die Hand. »Besser als dein Maultier. Gerlaine bleibt in Melfi.«
»Was soll das heißen?«, fragte Thore. »Sie kommt nicht mit? Habt ihr euch wieder gestritten? Was ist es diesmal?«
Auch die anderen starrten mich vorwurfsvoll an. Beschwichtigend hob ich die Hände.
»Kein Streit. Ich schwör’s.«
»Unsere Gerlaine hat die Lust an Raubzügen verloren«, erklärte Reynard, der schon Bescheid wusste.
»Das ist nicht gut«, knurrte Herman düster. »Das ist gar nicht gut. Sie hat uns immer Glück gebracht.«
»Nun musst du eben ohne deine Kinderfrau auskommen«, lachte Hamo. »Außerdem bist du doch Christ. Wozu brauchst du Runenzauber?«
»Man kann nie wissen«, murmelte Herman. »Ich fühl mich einfach wohler, wenn sie dabei ist.«
Ich zeigte ihm die Inschrift auf meinem Schwert. »Mit meinem eigenen Blut geweiht. Halt dich also an meiner Seite, Herman. Kann nicht
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