Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
bist ein guter Beobachter, Gilbert. Das habe ich schon bemerkt.«
»Bist du so etwas wie Arichis? Ein Spion? Muss man sich vor dir in Acht nehmen?«
»Ich will nur das Beste für mein Land.«
»Und deshalb dienst du Onfroi?«, fragte ich ungläubig.
»Ich mag Onfroi. Er hat mir einmal das Leben gerettet. Überhaupt seid ihr Normannen gar nicht so übel, wie man meint. Es stimmt, ihr seid gewalttätig, goldgierig, gerissen und wegen Kleinigkeiten schnell in Rage. Aber wenn es darauf ankommt, haltet ihr zusammen. Das habe ich schon des Öfteren erlebt. Treue und Ehre haben noch eine Bedeutung bei euch. Nicht wie bei den Byzantinern, die ihre eigenen Mütter verkaufen würden, wenn es einen Vorteil brächte. Und wenn ihr euch einmal etwas in den Kopf gesetzt habt, handelt ihr tatkräftig und entschlossen.«
»Jetzt erstaunst du mich aber, Lando. Ich dachte, wir wären nur Abschaum in euren Augen.«
»Für viele seid ihr das. Aber das Land braucht Männer, die es fest in die Hand nehmen, Ordnung schaffen und beschützen. Unsere Prinzen haben darin seit Generationen versagt. Wer weiß, ob Normannen das nicht besser könnten. Drogo hat vielleicht das Zeug dazu oder Onfroi. Obwohl es ein langer Weg sein würde, denn der Süden ist einfach zu zerrissen und zersplittert.«
Ich war über seine Worte mehr als verwundert. »Ein Normanne soll hier für Ordnung sorgen?« Ich musste lachen, so fremd kam mir der Gedanke vor. »Und warum Drogo und nicht Robert?«
»Ich weiß, Robert ist dein Held«, erwiderte er. »Aber er ist unerfahren und mittellos. Und dann diese winzige Truppe. Was soll er damit ausrichten?«
»Es war doch nur ein Scherz, Lando.«
»Ich glaube, du nimmst nicht ernst, was ich sage.«
Lachend schüttelte ich den Kopf. »Nein, wirklich nicht. Wir Normannen sind nur eine Schar Fremder, die sich als Söldner ein bisschen bereichern wollen. Selbst Drogo besitzt kaum mehr als Melfi und ein paar Burgen in den Bergen. Und irgendwann zieht es die meisten wieder nach Hause.«
Lando zwinkerte mir zu. »Das wäre schade, denn ich habe mich schon fast an euch gewöhnt.«
Diesmal war er es, der mich verspottete.
Aber meinte er tatsächlich, wir Normannen könnten so etwas wie eine Hoffnung für sein Land sein? Damit stünde er wohl ganz allein unter seinen Landsleuten, die uns lieber heute als morgen loswerden würden. Außer Guaimar natürlich. Aber der wollte sich selbst zum Herrn über den ganzen Süden aufschwingen, wie ich gehört hatte. Und Drogo mit seiner Bruderschaft von Söldnern sollte ihm dabei helfen.
Nun, das ging uns alles nichts an. Unser Weg führte nach Scribla zu den Schlangen und Skorpionen, wie Pierron sich ausgedrückt hatte. Ein Außenposten ohne Bedeutung. Roberts Ort der Verbannung.
Nach einigen Tagen stießen wir auf die alte Römerstraße nach Kalabrien, die Via Popilia. Doch schneller voran kamen wir deshalb auch nicht, denn die Berge wurden immer höher. Was hatte dieses Land nur für Berge! Nicht so hoch wie die, welche man Alpen nennt. Und doch, einer reihte sich an den anderen. Die Straße wand sich an steilen Hängen entlang und über Pässe in immer neue Täler hinunter, nur um bald wieder aufzusteigen und Mensch und Tier erneut zum Keuchen zu bringen. Besonders in der Mittagshitze, die einem den verdammten Schweiß aus den Poren trieb. Umso mehr, da Robert darauf bestand, in voller Rüstung zu reiten, als befürchtete er jederzeit einen Angriff.
Schließlich wanderten wir an den Flanken des mächtigen Pollino entlang, der die Pforte nach Kalabrien bewacht und die höchste Bergkette der Region ist. Die Hänge bedeckten herrliche Wälder von Buchen, Kastanien und hohen Kiefern, von Wild aller Art bevölkert. Und zu guter Letzt erreichten wir Cassano, von wo aus man das weite Tal des Flusses Crati überblicken konnte. Das Dorf umgingen wir, da wir nicht wussten, ob es von byzantinischen Truppen besetzt war. Stattdessen marschierten wir weiter nach Osten in die Ebene hinunter, bis wir endlich Drogos castello ansichtig wurden.
Es war schon früher Abend, als wir ankamen. Die Sonne stand tief über den westlichen Höhenzügen und beleuchtete die Burg mit warmem Licht. Nach Schlangen und Skorpionen sah es hier allerdings nicht aus, eher nach einer ganz passablen Lage für Ackerbau und Viehzucht. Besonders weiter östlich zum Meer hin und südlich, wo man den Fluss zwischen fernen Bäumen glitzern sah.
In etwa zweihundert Schritt Entfernung ließ Robert anhalten, um sein neues
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