Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
umdrehte, winkte sie mir verstohlen zu.
Auf dem Heimweg konnte ich nicht umhin, beide zu vergleichen. Die fröhliche Elda hatte von einem anderen Leben geträumt, von Knappen und von Kriegern und adligen Herren. Doch am Ende würde sie sich brav jenem Schicksal fügen, das ihr als Tochter eines Bauern vorgezeichnet war, einen einfachen Kerl aus der Gegend heiraten, auf dem Feld arbeiten und Kinder gebären.
Gerlaine dagegen wollte um alles in der Welt einem solchen Leben entfliehen. Und auch ich war nicht viel anders. Das Herumtreiben mit all seinen Gefahren und Wagnissen gefiel mir besser. Sosehr ich Elda mochte, aber mein Herz gehörte allein Gerlaine, der hellsichtigen Abenteuerin, die sich von niemandem Vorschriften machen ließ. Auch wenn ich manchmal an ihrer Sturheit verzweifelte.
Als ich am Nachmittag zurück in Melfi war, fand ich Girards Haus in Aufruhr. Gerlaine öffnete die Tür, legte den Finger auf die Lippen und zog mich hinaus in den Hof. Doch selbst durch die angelehnte Tür konnte man Alberadas Wehklagen hören und Girards Stimme, der sie zu beruhigen suchte.
»Was bei Odin ist los?«
»Drogo hat verboten, dass sie Robert besucht.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Es ist noch schlimmer. Er will sie Pierron zur Frau geben.«
»Was?« Ich war entsetzt. »Aber das wird Girard doch nicht zulassen.«
»Er kann nichts dagegen tun. Drogo hat gedroht, ihm sein Lehen zu nehmen, wenn er sich nicht fügt.«
»Aber da müssen die anderen Barone doch gewiss zustimmen.«
»Das ist wahr. Aber Girard sagt, die Stimmung ist gegen Robert. Für die Gemeinschaft hat er bisher nichts geleistet, und unser Beuteerfolg hat ihm nur Neider eingebracht. Warum sollte ausgerechnet er die schönste Frau in Melfi bekommen.«
»Verstehe.«
»Außerdem ist er ein Hauteville. Nicht wenige denken, die Brüder raffen sich mehr zusammen, als ihnen zusteht.«
»Und Alberada soll das Friedensangebot sein?«
»So ähnlich. Mit Pierron und seinen Freunden liegt Drogo schon lange im Streit. Mit dieser Vermählung soll Freundschaft geschlossen werden.«
Ich schüttelte den Kopf. »Da hat sich Drogo aber was Schönes ausgedacht. Den eigenen Bruder so …«
»Es war angeblich gar nicht Drogos Einfall.«
»Wessen denn?«
»Unsere Contessa riet ihm dazu.«
»Gaitelgrima?«, rief ich überrascht. Doch dann wurde mir alles klar. »Oh, diese Schlange.«
*
Noch tagelang dauerte das Gezerre und Gezeter an.
Alberada versicherte unter Tränen, sie würde sich eher umbringen, als dieses Scheusal Pierron zu ehelichen. Der war dagegen ungeduldig, die Verhandlung über die Mitgift zu beginnen. Daraufhin erhöhte Drogo den Druck auf Girard. Er solle doch endlich das halsstarrige Weibsbild zur Vernunft bringen.
Gaitelgrima ihrerseits war überfreundlich zu Pierron und schwebte durch die Burg mit dem Gesicht einer Katze, die eine Maus gefressen hat. Robert schwor, er würde seinem Bruder persönlich die Eier abreißen, wenn er nur erst aus dem Kerker käme. Drogo wiederum ließ ihm ausrichten, es sei kaum zu erwarten, dass er freikäme, solange er nicht bereit sei, Alberada zu vergessen und nach Kalabrien zu ziehen. Woraufhin Girard Alberada beschwichtigen musste, und so ging der Reigen weiter.
Schließlich kehrte Onfroi mit seinen Männern in die Stadt zurück und wollte wissen, ob sie alle verrückt geworden seien. Nachdem er jeden angehört hatte, begann er langsam, den Knoten zu entwirren.
Pierron ließ sich zähneknirschend überzeugen, dass es ihm wenig nützte, ein Weib zu ehelichen, das ihn hasste. Stattdessen versprach Onfroi ihm Kriegsbeistand für seine geplanten Feldzüge um Trani herum. Alberada musste ihm schwören, sich zu gedulden, wenn sie Robert jemals heiraten wollte. Drogo machte er klar, er könne den eigenen Bruder nicht ewig im Kerker schmachten lassen. Die Contessa Gaitelgrima ließ er freundlich, aber bestimmt wissen, sie habe sich gefälligst nicht in Männerangelegenheiten einzumischen. Und zuletzt, und das war das schwerste Stück Arbeit, brachte er Robert dazu, auf sein Gold zu verzichten, Drogo zu gehorchen und nach Kalabrien zu ziehen, wenn er verhindern wollte, dass Pierron seine Alberada bekam.
Onfroi, der sich sonst so unbeteiligt gab und tat, als könne er kein Wässerchen trüben, zeigte auf einmal seine wahren Qualitäten. Er war nicht nur ein wagemutiger Reiterführer, wie alle wussten, sondern auch ein geschickter Raubtierbändiger. Ich jedenfalls merkte mir, Onfroi niemals zu
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