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Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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am Grabenrand, erlaubte keine Pause und trieb sie zur Eile an. Fast konnten die Jungs einem leidtun, wie sie von morgens bis abends in der irren Sonnenglut dieses Landes schufteten, gruben und Erde wegtrugen, während wir zuschauten und höchstens neue Spaten für sie schnitzten und mit Eisenkanten beschlugen.
    Ab und zu war in der Ferne ein einsamer Reiter zu sehen, der die Burg zu beobachten schien. Er saß stundenlang in der Hitze auf seinem Gaul, ohne sich zu regen, und verschwand dann spurlos. Am Tag darauf entdeckten wir ihn an anderer Stelle. Nie kam er näher als fünfhundert Schritt, aber er versteckte sich auch nicht, als würde er es darauf anlegen, gesehen zu werden. Wenn wir aber ausritten, um ihn zu fangen, war er wie vom Erdboden verschluckt.
    Zuerst dachten wir, es müsste ein Kundschafter sein. Aber dann meinte Baldric: »Das ist Tancred. Er will nicht in Schande vor Drogo treten.«
    Robert starrte ihn an und dachte nach. »Morgen wird nicht gegraben«, verkündete er dann. »Du gehst ihn holen, und wir hören, was er zu sagen hat.«
    Den ganzen Morgen warteten wir und waren schon sicher, auch Baldric hätte sich davongemacht, als beide um die Mittagszeit durchs Tor geritten kamen. Tancred stieg mit schuldbewusstem Blick vom Pferd und warf sich vor Robert auf die Knie.
    »Ich will es wiedergutmachen, Herr«, sagte er, und an seiner Miene sah man, dass es aufrichtig gemeint war.
    »Du willst mir dienen?«, fragte Robert.
    »Das will ich.«
    »Du weißt, dass du für deine Fehler büßen musst.«
    »Ja, Herr.«
    »Wie du siehst, vertiefen wir den Graben. Die Hälfte haben deine Kameraden schon geschafft. Den Rest machst du jetzt allein.«
    Ohne Murren erhob sich Tancred, legte Waffen, Rüstung und Tunika ab, griff sich einen Holzspaten und machte sich ans Werk. Tagelang arbeitete er von morgens bis abends und unterbrach nur, um den kaputten Spaten gegen einen neuen auszuwechseln. Nein, arbeiten konnte man es nicht nennen, denn er wütete förmlich in diesem verfluchten Loch, grub Steine aus, stach Erde ab, füllte Körbe damit und schleppte sie auf der Leiter nach oben. Dann sprang er gleich wieder hinunter, um weiterzuschuften.
    Robert schaute ihm dabei zu. Er trieb ihn weder an, noch befahl er ihm, zu rasten, ließ ihm auch nichts bringen, als wollte er sehen, zu was der Mann fähig war. Und Tancred nahm die stille Herausforderung an.
    Er redete mit niemandem, verzichtete auf das Essen, das wir ihm anboten, verbrachte selbst die Nacht, unter einer Decke zusammengerollt, im Graben. Stiefel, Beinlinge und Hände waren schwarz verkrustet vor Dreck, seine helle Haut rötete sich unter der unbarmherzigen Sonne, warf Blasen und fiel ihm schließlich in Fetzen vom Rücken. All das schien ihn wenig zu kümmern. Er grub, schleppte Erde und grub. Es war zu einem Wettkampf geworden, den er mit Robert und noch mehr mit sich selbst ausfocht, um zu beweisen, was für ein Kerl er war. In uns allen wuchs die Anteilnahme. Wir begannen, ihn für seine zähe Verbissenheit zu bewundern, und riefen ihm Ermutigungen zu.
    Doch am dritten Tag stolperte er immer öfter, brach in die Knie, schaffte es kaum noch die Leiter hoch. Aber er kämpfte weiter, auch als es ihn übermenschliche Anstrengung kostete. Nachdem er zum dritten Mal zusammengebrochen war, machte Robert der Quälerei ein Ende. Da sprangen alle in den Graben und trugen ihn jubelnd und im Triumph nach oben. Er hatte sich in unsere Herzen gekämpft. Selbst Robert nahm ihn mit breitem Grinsen in Empfang und umarmte den armen Kerl, der kaum noch aufrecht stehen konnte.
    Während einige sich um Tancred kümmerten, kletterten alle anderen, auch wir Neuen, ins Loch und gruben bis zum Umfallen, wie um es ihm nachzutun. Am Tag danach war es geschafft. Abends, während eines gewaltigen Besäufnisses, das man uns gestattete, fand eine innige Verbrüderung statt zwischen der alten und der neuen Mannschaft. Und es war das erste Mal seit seiner Einkerkerung, dass Robert wieder lachte.
    An einem jener Tage, an denen Tancred wie ein Wilder gegraben hatte, waren wir nach Cassano geritten. Der Ort lag in einer kleinen Talmulde, durch die ein Bergbach floss. Die Hütten waren aus unverputztem Feldstein errichtet und mit abgespaltenen Holzschindeln gedeckt. Der Kampanile einer winzigen Dorfkirche ragte über die Dächer.
    Bevor wir ins Dorf ritten, betrachtete Robert eingehend die Lage des Örtchens. Vielleicht dachte er daran, es als Festung zu verwenden. Obwohl mit Mauer und

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