Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
gesucht hatte.
Auf Fulkos Frage am nächsten Tag erwähnte ich nur das Nötigste, denn ich hatte getreu meinem Wort beschlossen, niemandem Einzelheiten von dieser Unterredung zu erzählen. Schließlich wollte ich mir keinen der Mächtigen zum Feind machen. Und wenn man etwas verheimlichen will, gibt es nichts Besseres, als das Maul zu halten.
Wir verbrachten trostlose Tage mit Warten auf Girard, ohne dass uns jemand sagen konnte, wohin sie gezogen waren. Selbst Onfroi konnten wir nicht befragen, denn angeblich befand er sich mit Drogo in Venosa, dem Familiensitz der Hautevilles. Wer weiß, was sie dort ausheckten. Vielleicht, wie sie die Gräben wieder überbrücken konnten, die zwischen den Baronen entstanden waren.
In der Tat herrschte eine seltsame Stimmung in der Stadt, als hätten sich Lager gebildet, für und gegen die Hauteville-Brüder. Drogos Halle war selten gefüllt. Zum einen, da auch andere Barone nicht in der Stadt weilten, zum anderen weil viele der Normannenkrieger die Häuser ihrer Herren wie Festungen bewachten, als trauten sie niemandem über den Weg. Auch auf der Burg gingen jetzt Doppelwachen ihre Runden, und wer nicht zu den Hautevilles gehörte, musste seine Waffen am Torhaus ablegen.
In den Gassen ließen sich selbst die Melfitanos kaum sehen. Doch daran war wohl auch die Jahreszeit schuld, denn der Winter war gekommen, und erster Schnee zeigte sich auf den Höhen des Monte Vulture. In den Niederungen wollte der Nebel nicht weichen, der Himmel blieb tagelang verhangen, und durch die Gassen pfiff ein scharfer Wind, der mit totem Herbstlaub sein Unwesen trieb. Kein Wunder also, dass sich die Menschen in ihre Behausungen verkrochen, um sich am Herdfeuer zu wärmen, am besten noch gemeinsam mit ihren Weibern unter einer dicken Decke. Thore machte es uns ja vor. Wir anderen sahen ihn selten. Und Reynard war es wohl gelungen, bei Maria unter die Röcke zu schlüpfen, denn auch er beehrte uns nicht mehr mit seiner Gegenwart. So kam es, dass Fulko und ich allein durch die Gassen wanderten, untätig in Spelunken herumsaßen und versuchten, uns umzuhören.
An Neuigkeiten gab es so einiges. Vieles davon schien wahr zu sein, anderes hörte sich eher nach haarsträubenden Gerüchten an. Doch wenn man die allzu phantasievollen Berichte außer Acht ließ, so bestätigte das Gerede in den Tavernen doch im Großen und Ganzen, was Gaitelgrima mir bereits gesagt hatte. Im gesamten Mezzogiorno hatte man angeblich genug von uns Normannen. Wir seien nichts als Raubritter, Plünderer und Kirchenschänder. Eine Plage der Christenheit. Man würde uns eher heute als morgen vernichten und verjagen. Nur Prinz Guaimar von Salerno hielt uns die Treue.
Im Benevento herrschten seit kurzem Vertreter des Papstes. Sie hatten begonnen, Krieger anzuwerben. Papst Leo selbst war über die Alpen gereist, angeblich, um den Kaiser zu bewegen, mit einem mächtigen Heer gegen uns loszuschlagen. Eine Vorstellung, die viele beunruhigte.
Mit Pandulf hatten Kaiser und Papst sich ja schon versöhnt. Auch er rüstete gegen uns und schien genug Gold für neue Söldner zu haben. Mit seinen ständigen Überfällen auf Guaimars Gebiet hielt er dessen Truppen in Atem. Schuldbewusst erinnerte ich mich an unsere eigenen Beutezüge und wie viel davon wir Pandulf überlassen hatten, Geld, das er nun gegen uns verwenden würde. Überhaupt verstand ich endlich sein heimtückisches Spiel. Er hatte Roberts Raubzüge ermöglicht und ermutigt, um noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Reynard hatte recht gehabt. Vielleicht hatte gerade unser frecher Überfall auf Monte Sant’Angelo das Fass zum Überlaufen gebracht. So sah ich plötzlich Drogos Zorn gegen Robert in einem anderen Licht.
Viel Gerede und Mutmaßungen gab es auch über unseren alten Feind Argyros, den Verräter, der unerwartet in neuer, mächtiger Stellung aufgetaucht war. Wie wir wussten, war Argyros vor Jahren der Anführer des Lombardenaufstands gegen Byzanz gewesen. Und wir Normannen hatten ihm dabei geholfen. In mehreren Schlachten war Roberts Bruder Williame für ihn siegreich gewesen. Aber den vereinbarten Lohn hatte Argyros verweigert, so dass Williame und die anderen Anführer angefangen hatten, sich in Apulien selbst schadlos zu halten. Und das war, was sie uns jetzt vorwarfen.
Argyros hatte schnell die Seiten gewechselt, sich mit Byzanz versöhnt und sogar einige Jahre in Konstantinopel verbracht. Nun war er als Katepan aller byzantinischen Besitzungen im Mezzogiorno
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