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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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schwer, unbewegte Objekte auszumachen. Endlich fand er die eine Waffe und ging wieder die Treppe hinauf.
    Der Feigling von eben musste irgendwo sein. Wo sollte er auch hin? Sie waren im obersten Geschoss, hier gab es keine Möglichkeit, aus dem Turm hinauszukommen. Dauras sah die Tür zu dem Raum auf diesem Stock. Doch die war von der Treppe aus gut zu sehen   – er hätte bemerkt, wenn der Ritter sie geöffnet hätte und hindurchgeschlüpft wäre.
    »Wo steckst du?«, fragte er. »Komm raus, du feige Ratte!«
    Er stocherte mit dem Schwert hierhin und dorthin, und er erinnerte sich an das letzte Mal, als er dem Ritter begegnet war: in jener Nacht, kurz nachdem er sein Sehvermögen erhalten hatte. Der Ritter hatte mit ihm gespielt, er hatte ihn draußen in den Gassen geschlagen und Spaß daran gefunden, ihn nicht einfach zu töten, sondern ihn zu demütigen.
    Jetzt war dieser Ritter in dem lächerlich kleinen, überschaubaren, aber dämmrigen Flur verschwunden und nicht mehr zu sehen! Wo bei allen Schwertgöttern konnte er sich hier verstecken? Dauras verfluchte sein trügerisches Augenlicht. Vielleicht stand der Ritter gleich neben ihm, reglos, und er bemerkte ihn nicht!
    Da stieß sich Dauras schmerzhaft den Kopf an einer Bodendiele, und er erkannte, dass das, was er für eine Diele am Boden gehalten hatte, in Wahrheit ein Brett war, das senkrecht in die Luft ragte. Es gehörte zu einer Leiter, die auf den Dachboden des Turms führte.
    »Wie findet sich überhaupt irgendjemand hier zurecht?«, murmelte er. Er starrte ins Dunkel hinauf und verfluchte die sichtbare Welt   – jene Welt, in der alle Linien und Farben erst dann eine räumliche Tiefe gewannen, wenn er sie berührte oder wenn sie sich bewegten, während sie sonst nur Rätselbilder waren, die er niemals schnell genug entschlüsseln konnte, um darauf zu reagieren.
    Er trat von der Leiter zurück und lauschte. Der Ritter war ohne Zweifel auf den Dachboden geflohen und versteckte sich dort oben. Gut. Dauras würde dem Mann nicht hinterherlaufen.
    Er holte aus und zerschlug mit dem Schwert die leiterartige Stiege und die Sprossen. So konnte er zumindest sicher sein, dass der Kerl sich nicht wieder herunterschleichen und ihm in den Rücken fallen würde.
    Er riss die letzte Tür auf und trat ein. Das Schwert hielt er gezückt, bereit, auf die kleinste Bewegung sofort zu reagieren.
    Das Zimmer hinter der Tür war hell und geräumig. Zwei große Fenster an den Seitenwänden ließen das Morgenlicht herein. Am anderen Ende des Raumes, vor einem Tisch, bewegte sich eine hünenhafte dunkle Gestalt   – Kanzler Arnulf von Meerbergen. Er trug ein schweres langes Kettenhemd und einen Wappenrock darüber. Ganz ruhig setzte er den Helm auf und schloss den Kinnriemen.
    »Dauras«, sagte er. »Ich dachte mir, dass wir uns einmal wiedersehen. Spurlos im Fluss verschwunden, das war zu einfach. Du musstest wieder auftauchen.«
    Vorsichtig trat Dauras in den Raum. Er spähte misstrauisch nach links und rechts und er lauschte. Aber der Kanzler schien allein zu sein. Arnulf von Meerbergen nahm einen Schild und ein breites Schwert vom Tisch und stand ihm kampfbereit gegenüber.
    Dauras zog die Tür hinter sich zu. Es war eine massive kleine Pforte aus dicken Holzbohlen, und der Riegel war aus Eisen und fest verankert. Das würde Dauras die Zeit verschaffen, die er brauchte.
    »Diesen Zweikampf hätten wir einfacher haben können«, sagte er und ging auf den Kanzler zu. »Ich habe Euch in Horome ein Duell angeboten.«
    »Damals warst du ein ganz anderer Krieger. Heute ist der Kampf ausgewogener.«
    »Ich habe mich gut erholt   … von Eurem Anschlag«, erwiderte Dauras.
    Der Kanzler lächelte. »Das glaube ich nicht. Der alte Dauras hätte diesen Kampf längst beendet.«
    Dauras stürmte vor. Er schlug zu. Der Kanzler wischte die Klinge mit der schweren Schiene an seinem rechten Arm zur Seite und stieß den Schild in Richtung von Dauras’ Gesicht. Der wich im letzten Augenblick aus. Der Kanzler riss sein Schwert zurück, die Klinge fuhr auf Dauras’ Hals zu.
    Dauras duckte sich unter dem Schlag hindurch und rollte sich ab. Noch in der Bewegung stieß er sein Schwert vor und schrammte über Arnulfs Rüstung. Die Kettenglieder hielten den Hieb ab.
    Arnulf drehte sich. Dauras sprang auf die Füße. Sie standen einander wieder gegenüber.
    Dauras fühlte sich ein wenig schwindlig. Er spürte die Folgen des Laufs über die Treppe noch tief in den Lungen. Doch zum Glück war vor

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