Das Schwert des Sehers
fassen konnte.
Er sammelte das Feuer in seinem Leib und stieß es aus. Als undurchdringliche Wand raste es durch die Gasse. Valdar hörte die Schreie seiner Angreifer. Seine Lider flatterten. Er sah die Flammen, die sich von ihm fortwälzten, dann an Kraft verloren und vergingen.
Geschwärzte Körper lagen am Boden, wo eben noch die schwertschwingenden Krieger auf ihn zugestürmt waren. Einige lagen reglos da, andere wälzten sich schreiend auf dem Pflaster. Manch ein Wams hatte Feuer gefangen. Die Männer rissen sich die brennende Kleidung herunter und schleuderten sie von sich. Armbrustschützen warfen ihre Waffen fort und flohen.
Valdar hatte das Gefühl, als würde er immer kleiner werden und den Tumult nunmehr aus dem Blickwinkel einer Ameise sehen. Dann wurde ihm bewusst, dass er gestürzt war. Die ganze Welt schien sich um ihn zu drehen. Er lag da, zu schwach, um wieder aufzustehen. Sein Blick war trübe, und nur mehr verschwommen sah er, was er angerichtet hatte.
Ihm war zumute, als hätte er all seine verbliebene Lebenskraft mit diesen wenigen Zaubern verbrannt. Sie waren zu mächtig gewesen, als dass irgendein Mensch sie hätte wirken sollen. Dennoch, Valdar empfand Stolz, weil er dazu in der Lage gewesen war.
Er hatte seine Magie erproben können. All das, womit er sich in den letzten Jahrzehnten befasst hatte – es war mehr als eine Spinnerei! Er hatte seine Zeit nicht verschwendet.
Was machte es da schon, dass diese Zeit nun abgelaufen war?
Die Welt versank in Nebel und Schatten. Hatte er die fremden Krieger endgültig vertrieben, oder sammelten sie sich bereits wieder, um ihm den Garaus zu machen? Valdar stellte fest, dass ihm das überraschend gleichgültig war.
Trotzdem klammerte sich ein Teil von ihm weiterhin an das Bewusstsein. Er hatte das Gefühl, dass noch etwas zu tun blieb, dass er etwas vergessen hatte …
Valdar erinnerte sich an die offene Pforte. Die Krieger waren zu diesem Hintereingang unterwegs gewesen – der auf die Empore der Würdenträger führte! Das Fräulein Nessa saß dort. Und wenn die Bewaffneten die Tribüne erreichten, konnten sie jeden Ritter auf dem Platz mit ihren Armbrüsten und Langbögen niederstrecken, einen nach dem anderen, wie Schlachtvieh in einem Pferch.
Die Ritter, unter denen Lacan war!
»Lacan«, murmelte Valdar.
Unter Aufbietung all seiner Kräfte drehte er den Kopf.Seine Wange streifte durch den Straßenschmutz. Die Pforte schien unerreichbar fern zu sein.
Dennoch, er musste den Zugang versiegeln. Wo auch immer er die Kraft dafür hernehmen würde.
Nach allem, was ich heute getan habe, dachte Valdar, werde ich daran nicht scheitern.
Nachdem Lacan sich von seinem Standplatz zurückgezogen hatte, schlenderte er durch das Lager der Turnierteilnehmer am Ende des langen Platzes. Er verspürte wenig Lust, dem Rat seines Vaters zu folgen und nach Verbündeten zu suchen. Aber die Freunde seines Vaters fanden ihn.
Es waren alte Männer, die Geschichten aus dem Krieg erzählten oder die einfach nur Höflichkeiten mit ihm austauschten. Dennoch schwang bei all diesen Gesprächen am Rande des Turnierplatzes noch etwas anderes mit, der bevorstehende Krieg und eine unausgesprochene Frage:
Hat Euer Vater Euch eine Botschaft zukommen lassen? Was ist zu erwarten?
Die Flagge schien an seiner Brust zu brennen, doch Lacan brachte es nicht über sich, auch nur eine Andeutung fallen zu lassen. Ihm war die ganze Angelegenheit zuwider, obwohl er wusste, dass er irgendwann mit hineingezogen würde, egal wie er sich sträubte.
Als der Tumult dann losging, war Lacan ebenso verwirrt wie alle anderen. Er plauderte gerade mit Daugud an Haran, einem grobschlächtigen alten Ritter, der – natürlich! – ein Verbündeter seines Vaters war.
Das Gespräch plätscherte dahin. Lacan blickte zu dem bogenförmigen Steingebäude mit dem Badehaus. Dort gab es Schwimmbecken, Dampfbäder und Massageräume. Viele Teilnehmer des Turniers hatten sich schon dorthin zurückgezogen, und Lacan suchte nach einer Ausrede, um es ihnen gleichzutun – ohne die Gesellschaft der Freunde und Feinde seines Vaters, die ihn nicht in Ruhe lassen wollten.
Da hörte er den Lärm vom Platz her. Es klang nicht nach einem weiteren Lanzengang. Das Publikum rief aufgeregt durcheinander. Lacan überlegte, ob bereits die Mannschaftskämpfe begannen – das Reitergefecht, bei dem sich die Teilnehmer zu zwei kleinen Heerhaufen zusammenfanden und jeweils ein Pfand aus der »Festung«
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