Das Schwert - Thriller
Nachbarn. Mit vereinten Kräften hatte man ein Fest auf die Beine gestellt, an das man sich erinnern würde, bis das nächste neuen Gesprächsstoff lieferte. Er geleitete Dschamila durch den Eingang auf das Festgelände.
Man hatte einen breiten Weg zwischen zwei Gräberreihen mit den leuchtend roten Zeltvorhängen abgesperrt, die für alle örtlichen Festivitäten herhalten mussten, vom Geburtstag des Propheten bis zu den Paraden kleiner Jungen vor ihrer Beschneidung.
Bunte Lichtergirlanden webten eine Art Dach, andere schmückten das Geäst winterlicher Bäume. Die Lautsprecher, aus denen die Musik schallte, hatten die Ausmaße kleiner Lastwagen.
Überall kämpften mit Gas betriebene Heizstrahler gegen die Nachtkälte.
Braut und Bräutigam thronten in einsamer Pracht am Ende des Festplatzes auf hochlehnigen vergoldeten Stühlen auf einem von Plastikblumen umstandenen Podium. Sie waren gegen halb zwölf eingetroffen und den breiten Weg entlanggeschritten, durch ein Spalier der Frauen, die bunte, knöchellange Gewänder trugen und die Hände mit Henna rot gefärbt hatten. Sie schnatterten mit schrillen Vogelstimmen und ehrten das Brautpaar durch das traditionelle an- und abschwellende kehlige Trillern, das über die Gräber hallte.
Jack richtete den Blick dorthin, wo Chadidscha, die Braut, steif auf ihrem Thron saß wie ein bemaltes Püppchen. Der kindliche Körper steckte in einem voluminösen weißen Brautkleid, etliche Nummern zu groß für sie, das jeder Braut angezogen wurde, die in der Nachbarschaft heiratete. Ihr Mann, der die Prozedur schon dreimal mitgemachthatte, blickte strahlend auf das Gewimmel seiner Gäste. Der alte Bock dachte voller Vorfreude daran, wie er später Chadidscha entjungfern würde, und hoffte, dass keine seiner anderen Frauen deswegen nachher ein Spektakel veranstaltete.
Alle waren gekommen. In Ägypten ist eine Einladung zur Hochzeit so etwas wie eine Anordnung des Präsidenten. Keiner sagt ab, außer er liegt auf dem Sterbebett.
Am unteren Ende des Platzes saßen die Männer auf Holzstühlen; ab und zu erhoben sich welche, um miteinander zu tanzen. Gemischte Paare gab es nicht, überhaupt hielten sich die Geschlechter streng getrennt. Am entgegengesetzten Ende forderten die festlich herausgeputzten Frauen die Braut auf, mit ihnen zu tanzen, aber Chadidscha schüttelte den Kopf. Sie hatte Angst, sich zu blamieren. Zu Hause hatte sie gern Popmusik gehört, aber man hatte ihr eingeschärft, dass ihr Gatte laute Musik jedweder Art verabscheute und keineswegs dulden würde, dass die Ruhe seines Hauses durch abartiges Gedudel gestört wurde.
Seit der Schüssel Kuschari früher am Abend hatte Jack nichts mehr gegessen, und der Duft des auf Propangaskochern in den umliegenden Küchen garenden Festmahls stieg ihm verführerisch in die Nase. In großen Töpfen brodelten Lamm, Hühnchen, Reis, Makkaroni und Auberginen.
Bereits aufgetragene Schüsseln und Platten mit Salat, frittierten Pastetchen und honigsatten Kunafa sorgten dafür, dass den Gästen das Wasser im Mund zusammenlief. Kleine Kinder, die sich einbildeten, unsichtbar zu sein, schlüpften unter die Tische, sprangen hervor und stibitzten so viel süß gefüllte Backwaren, wie sie nur konnten, während eine aufgeregte Frau vergeblich die Hände schwenkte, um sie zu verscheuchen.
Im selben Moment, als Jack und Dschamila sich auf den Weg zum Podium machten, um dem Brautpaar zu gratulieren, wurde die Konservenmusik abgeschaltet, und ein mitTrommeln, Uds, einer Rohrflöte und einer nach der arabischen Tonleiter gestimmten Geige ausgerüstetes Musikerensemble erklomm eine niedrige Bühne. Kaum hatten sie Platz genommen, begannen sie das traditionelle Hochzeitslied Arustak al-Halwa zu trommeln, zu zupfen, zu kratzen und zu flöten, »Deine Braut ist süß«.
Dschamila hatte auf den Gesichtsschleier verzichtet. Sie wurde von den Freundinnen erspäht, die sie gewonnen hatte, seit sie hier wohnte. Gleich waren sie und Jack von ihnen umringt.
»Dschamila, Liebes, wo hast du den ganzen Abend gesteckt? Ich habe überall nach dir Ausschau gehalten. Wir dachten schon, du kommst nicht.«
Die Sprecherin war eine stattliche Nubierin, die zwei Grabstätten weiter lebte. Sie hatte eine Lücke in ihren strahlend weißen Zahnreihen, und die Innenseite ihrer Hände schmückten mit Henna gezeichnete Spitzenmuster. Auch die anderen Frauen winkten Dschamila mit den Fingern und wollten wissen, weshalb sie so spät käme.
»Mein Mann ist erst vor
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