Das Schwert - Thriller
wenigen Stunden wieder nach Hause gekommen«, gab sie Auskunft und deutete schüchtern auf Jack, der sich wand und verlegen lächelnd ein paar Begrüßungsworte murmelte. Je weniger er redete, desto besser, dachte er.
Nachdem die Frauen Gelegenheit gehabt hatten, ihn in Augenschein zu nehmen und Dschamila zu seiner Rückkehr zu beglückwünschen, wurde er in die Richtung des männlichen Kontingents geschickt.
»Ich will nicht, dass du hier bleibst«, raunte Dschamila ihm zu. »Die anderen Frauen werden sonst nur eifersüchtig, weil du so viel ansehnlicher bist als ihre eigenen Ehemänner, und dann verfluchen sie uns mit dem bösen Blick und, ehrlich gesagt, noch mehr Unglück können wir nicht brauchen.«
»Du glaubst doch nicht an diesen alten Hokuspokus?«, fragte er, obwohl er noch keinen Ägypter kennengelernt hatte, der dagegen immun gewesen wäre.
Sie scheuchte ihn weg, und er verdrückte sich in den Männerbereich. Man hatte ihn in Augenschein genommen, mit dem Etikett »Ehemann« versehen im Gedächtnis gespeichert, und er war nun nicht länger mehr Gegenstand von Spekulationen. Der Kaffee, den er getrunken hatte, bevor sie herkamen, hatte seinen Blutdruck unangenehm in die Höhe getrieben, er spürte es wie ein Summen in seinem Kopf und im ganzen Körper. Ihm graute vor dem Gedanken, wie sein Kopf sich anfühlen würde, wenn er am Morgen aufwachte, falls er überhaupt aufwachte. Das Mädchen auf dem Podium sah fast so jung aus wie Naomi, und die Vorstellung, dass der alte Sack daneben sich demnächst über sie hermachen würde, brachte ihn in Wut, zumal er automatisch an seine Tochter denken musste – wo sie festgehalten wurde, ob sie noch lebte und ob man ihr Gewalt angetan hatte.
Neugierige Blicke begleiteten ihn auf seinem Weg durch die Umfriedung. Man hatte ihn vom ersten Moment an als nicht zugehörig eingestuft, auch wenn die vertraute Begrüßung Dschamilas durch die Frauen geholfen haben mochte, latentes Misstrauen zu zerstreuen. Schließlich sah er nicht besonders ägyptisch aus; wegen seiner hellen Haut und des schwer einzuordnenden Dialekts hatte man ihn schon früher oft für einen Tscherkessen aus Jordanien oder Syrien gehalten. Außenseiter waren nicht willkommen in eng verwobenen Gemeinschaften wie dieser, und er hätte es lieber vermieden, in Unterhaltungen einbezogen zu werden. Ein Ausrutscher, und die Situation konnte schwierig bis unangenehm werden.
Frauen und Mädchen schleppten aus den Küchen die dampfenden Töpfe heran. Jack schnupperte. Er begrüßtedie Ablenkung ebensosehr wie die Aussicht auf ein spätes Abendessen.
In der musikalischen Untermalung trat eine Pause ein, als die Ud-Spieler ihre Instrumente stimmten, was wegen der Kälte häufig nötig war. Irgendwo draußen auf der Straße hörte man ein Auto kommen und anhalten. Ein zweites und ein drittes. Verspätete Hochzeitsgäste waren eingetroffen.
Die Band fing wieder an zu spielen. Auf Plastiktellern wurde das Essen serviert. Kinder wieselten um die Tische und versuchten, sich selbst zu bedienen. Gläser mit Fruchtsaft wurden herumgereicht. Der Bräutigam befahl der Braut, gerade zu sitzen und zu lächeln. Noch mehr Töpfe wurden gebracht und auf Schragentische gestellt. Eine Gruppe Frauen überredete Chadidscha, vom Podium herunterzukommen und gemeinsam mit ihnen zu essen. Ihre Schwester war da, und von einer Seite kam ihre Mutter herbei, eine schwere Tonschüssel in den Armen. Die Musik schwoll an und ab. Die Großmutter der Braut stand auf und vollführte einen kurzen Tanz, beklatscht von ihren Freundinnen, einer Schar zäher alter Vetteln.
An beiden Enden des Festplatzes wurden die Vorhangtücher auseinandergeschlagen, dann auch an den Seiten. Die zu spät Gekommenen waren eingetroffen. Von den mit Essen beschäftigten Gästen nahm sie anfangs keiner wahr. Es waren Männer, und sie trugen lange schwarze Gewänder, und als sie in der Umfriedung standen, huschten ihre Blicke über den Platz, auf der Suche nach etwas. Oder jemandem.
Dschamila war die Erste, die bewusst von ihnen Notiz nahm, und ihr blieb fast das Herz stehen. Das waren keine Hochzeitsgäste, das waren keine Halbwüchsigen aus einem anderen Viertel, die gekommen waren, um zu schmarotzen. Sie schaute zum Männerbereich, in der Hoffnung, Jack unauffällig ein Zeichen geben zu können. Völlig gleichgültig,wie man sie gefunden hatte, es kam jetzt einzig darauf an, dass sie und Jack möglichst schnell und unauffällig von hier verschwanden.
Die
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