Das Schwert - Thriller
gebracht.
Heroin kam über den Indischen Ozean nach Hadhramaut im Jemen, von wo es nach Saudiarabien und den Golfstaaten weitergeleitet wurde. Sie hatte geholfen, in Dubai Firmen zu etablieren, durch die mittels Immobiliengeschäften Geld gewaschen wurde, und das saubere Geld dann auf al-Masris Konten bei Banken in Deutschland transferiert.
Opium wurde von Afghanistan nach Tadschikistan geschmuggelt; von dort gelangte es über die russische Grenze, und dann weiter nach Europa. Dabei ging es nicht allein um den Profit aus dem Verkauf der Drogen, sondern man wollte die verhassten Ungläubigen schwächen, durch die Korrumpierung der Jugend die Widerstandskraft der westlichen Gesellschaft untergraben.
Samiha hasste den Handel mit Rauschgift und was Rauschgift den Menschen antat, aber sie war machtlos unter der scharfen Überwachung im Bunker. Sie hatte sich geschworen, falls ihr je die Flucht gelang, wollte sie ihr Insiderwissen benutzen, um das Netzwerk zu zerstören. An vielen Stellen hatte sie raffinierte Fallen eingebaut, um es den Drogendezernaten leicht zu machen, das von al-Masris Organisation aufgebaute Handelsgeflecht zu zerschlagen.
Doch es waren nicht die Drogen, die ihr nachts den Schlaf raubten. Bei den unangemeldeten Flügen und geheimen Transporten zu Wasser und zu Lande wurde noch andere Fracht befördert. Erst in den letzten Tagen hatte sie angefangen, einen Zusammenhang zwischen ihren Entdeckungen herzustellen, und falls ihre Vermutungen sich bewahrheiteten, gähnte vor ihnen ein Abgrund namenloser Gefahr. Nicht zum ersten Mal verfluchte sie ihre Ohnmacht als Gefangene in einer ihr fremden Stadt.
Die Tür ihres kleinen Büros ging auf, und als sie sich umschaute, sah sie Naomi dort stehen. Ihr wurde warm ums Herz, wie immer beim Anblick des kleinen Mädchens. Nicht anders als die meisten Bewohner von Weltengegenden, wo die Menschen überwiegend schwarzhaarig sind, war Samiha immer wieder aufs Neue fasziniert von Naomis blondem Haar. Ihre Augen, jedes von einem anderen Blau, waren schier unglaublich. Und wenn Naomi lächelte, was selten vorkam, leuchtete ihr ganzes Gesicht.
Samiha machte eine einladende Handbewegung. »Komm herein.«
»Sie haben mir gesagt, ich dürfte dich besuchen«, sagte Naomi leise. Sie hatte gelernt, nie die Stimme zu erheben an diesem schrecklichen Ort, wo alle, bis auf ihre Freundin Samiha, streng und grimmig dreinschauten und alle Frauen verschleiert waren. »Ich möchte dir ein Geschenk bringen.«
Sie streckte ihr einen Zettel hin, auf den sie ein Gedicht geschrieben hatte. Samiha hatte ihr beigebracht, auf Arabisch zu dichten. Sie hatte auch mit ihr malen wollen, aber die Frau, die alle ihre Handlungen überwachte, war eingeschritten: Der Koran verbot bildliche Darstellungen jeder Art. Die einzige erlaubte Kunst war Kalligraphie, und Samiha hatte sich nach Kräften bemüht, ihre bescheidenen Fähigkeiten auf diesem Gebiet an Naomi weiterzugeben, die sich als gelehrige Schülerin erwies.
Das Gedicht handelte von Naomis Vater. Es war ein trauriges Gedicht, und am Ende stand die Angst, ihn vielleicht nie wiederzusehen.
Als Naomi zu Ende vorgelesen hatte, rollten ihr Tränen über die Wangen. In solchen Augenblicken war Samiha zumute, als müsste auch ihr das Herz brechen. Sanft wischte sie Naomi die Tränen ab und forderte sie dann auf, die Tür zu schließen.
»Aber wir dürfen nicht ...«
»Schon gut, Kleines. Ich muss dir etwas sagen. Es wird nicht lange dauern. Ein Geheimnis. Du musst es für dich behalten. Wenn du jemandem davon erzählst, könnte es für uns beide schlimme Folgen haben.«
»Ich verrate nichts. Ehrenwort.«
»Gutes Mädchen. Jetzt komm her und setz dich auf meinen Schoß.«
Naomi gehorchte. Samiha legte die Arme um sie.
»Hör mir gut zu. Ich habe Neuigkeiten für dich.«
»Schlechte Neuigkeiten?«
»Nein, gute.« Sie holte tief Atem. »Ich habe im Computer gesucht, dem großen, den hier unten jeder benutzt. Ich habe herausgefunden, dass dein Vater nach Kairo zurückgekehrt ist. Nach dem Tod deiner Mutter war er längere Zeit in Schottland.«
Naomi musterte sie mit offenem Mund.
»Ist er gekommen, um mich zu holen?«, fragte sie mit bebenden Lippen.
»Das kann ich dir nicht sagen, Schatz. Falls er erfahren hat, dass du noch am Leben bist, wird er überall nach dir suchen, ganz bestimmt.«
»Aber – aber wenn er mich nicht finden kann?«
Samiha wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Wie um alles auf der Welt sollte jemand
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