Das Schwert - Thriller
hinschauen. Dschamila zupfte und zog es zurecht. Zu guter Letzt stattete sie Jack mit Kopftuch und Gesichtsschleier aus. Die übrigen Fahrgäste, sämtlich Männer, verfolgten Jacks Verwandlung ohne Kommentar. Natürlich wussten sie, worum es ging: Eine schöne junge Frau brannte mit ihrem Liebhaber durch, ohne Zweifel verfolgt vom eifersüchtigen Ehemann. Einige schüttelten den Kopf, aber alle dachten dasselbe: Glückspilz. Ich wünschte, ich wäre an seiner Stelle.
Jack fragte sich, wo Dschamila in Schubra al-Chaima hinwollte. Schubra und der nördliche Ausläufer, Schubra al-Chaima, bildeten eines der ärmsten Viertel der Stadt. Mit über einer Million Einwohner auf begrenzter Fläche war es überfüllt, schmutzig und eine Brutstätte für religiösen Extremismus. Nicht der beste Ort für einen Mann in Frauenkleidern.
Sie näherten sich der nächsten Station.
»Wir können sie abhängen, wenn wir hier in Nasser umsteigen«, meinte er.
»Oder wir laufen ihnen genau in die Arme. Die Typen aus dem Mercedes werden jeden Gesinnungsgenossen angerufen haben, der sich in der Nähe einer Metro befindet. Vielleicht haben sie auch Beobachter in Sadat, aber dort ist die einzige Möglichkeit, auf die Linie 2 zu wechseln. Von den Leuten auf dem Bahnsteig werden einige in diesen Zug einsteigen, und falls welche von unseren Freunden dabei sind, merken wir das erst, wenn es zu spät ist.«
Er verfolgte den regelmäßig aufleuchtenden Widerschein der Lampen draußen in den Wagenfenstern.
»Es gibt kein Entkommen, richtig?«
Der Zug fuhr in die Station Sadat ein. Der Bahnsteig war überfüllt. Jack entdeckte einige Männer mit schwarzer Sonnenbrille: Bewaffnete oder normale Ägypter?
»Schnell«, zischte Dschamila, »gib mir die Tasche mit dem Schwert. Wenn du sie trägst, ist das zu auffällig.«
Er gehorchte, und sie hängte sich die Tasche über die Schulter.
An der Tür hatte sich ein Knäuel aus Menschen mit entgegengesetzten Absichten gebildet: Die einen wollten hinein, die anderen hinaus.
»Okay«, sagte sie. »Wir steigen aus, gehen hinüber zur Linie 2 und, falls ein Zug dasteht, ganz nach vorn. Die ersten Wagen sind für Frauen reserviert.«
Seine Kraft und seine Tarnung als verschleierte Frau halfen Jack, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Dschamila folgte in seinem Kielwasser, die Tasche mit dem Schwert und dem geheimnisvollen Päckchen an sich gedrückt.
Sie eilten zum Gleis für den Zug Richtung Schubra. Die Strecke führte erst nach Osten, eine Station weit, und bog dann nach Norden ab. Schubra al-Chaima war die zehnte und letzte Station.
Dschamila erspähte die Mörder sofort, die beiden Männer,die den Taxifahrer getötet hatten. Glücklicherweise hielten sie nach einer verschleierten Frau in Begleitung eines Mannes Ausschau, nicht nach zwei Frauen, von denen eine verschleiert war und die andere westlich gekleidet. Sie sah, wie der Blick des Grauhaarigen an Jack hängenblieb und wie er seinen Partner anstieß, einen jungen, chinesisch aussehenden Mann. Ostentativ hakte Dschamila sich bei Jack ein, als wäre sie auf einem Einkaufsbummel mit ihrer Mutter. Die Männer richteten ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Bahnsteig, und während sie in die andere Richtung schauten, fuhr ein Zug ein. Jack und Dschamila steuerten auf den zweiten für Frauen reservierten Wagen zu und schlüpften hinein. Wenige Augenblicke später ertönte das Signal, und die Türen schlossen sich. Der Zug setzte seine Fahrt nach Schubra al-Chaima fort.
31
Advent
Schubra al-Chaima
Kairo
Am Nachmittag dieses Tages
Der charakteristische Atem des Viertels schlug ihnen entgegen, bevor sie überhaupt die Metrostation verlassen hatten. Die Luft war geschwängert mit den gewöhnlichen Gerüchen Kairos, aber zehn-, zwanzigfach verstärkt. Schubra war eines der am dichtesten besiedelten Stadtviertel der Welt, ein brodelndes Gemenge aus Mensch und Tier, ein olfaktorischer Frontalangriff aus beißenden Gewürzen und dem Gestank ungeklärter Abwässer.
Ein Schritt hinaus, und sie waren gefangen in diesem Malstrom, wichen den hin- und herrasenden Kleinbussen aus, liefen Slalom zwischen Mopeds und rostigen Autos, wurden immer tiefer hineingezogen in einen Irrgarten aus engen Straßen und verdreckten Gassen zwischen Wohnblocks, Bahnhöfen, Werkstätten, Moscheen und Kirchen. Der Raum zwischen den Dächern links und rechts war ausgefüllt mit durchhängenden Stromleitungen, Wäsche, die von Stangen und Leinen hing wie zum Willkommen
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