Das Schwert - Thriller
Verehrer. Schick Merkur los.«
Im Tea-Shop schaltete Dschamila das Handy aus.
»Es ist so weit, Darsch. Geh langsam, keine Aufmerksamkeit erregen, bis du bei der Statue bist, dann lauf, als wärst du Abdel Halim Ali als Mittelfeldspieler im Ballbesitz auf dem Weg zum Tor. Zamalek liegt 0:1 zurück, und es sind nur noch fünf Minuten zu spielen.«
Er grinste.
»Wir treffen uns am verabredeten Platz«, sagte sie.
Mit einem Kopfnicken machte er sich auf den Weg, tauchte in das Gewühl und den Lärm des Platzes.
Jack hatte Darsch entdeckt und hielt ihn auf der ganzen Strecke im Blickfeld, bis zum Mittelstreifen. Darsch strolchte über den Platz wie die vielen anderen arabischen Jungen bei dem täglichen Versuch, ein paar Münzen zu ergattern, immer auf der Jagd nach Touristen oder bereit, einen streunenden Hund am Schwanz zu ziehen. Jungen wie er waren allgegenwärtig in Kairo, irritierend für Ausländer mit ihrem: »Mister, Mister, brauchen Sie Führer, Mister?«, für die meisten Ägypter hingegen unsichtbar. Niemand schenkte Darsch einen zweiten Blick. Eine Million Kinder wie er trieben sich auf den Straßen herum. Sie trugen Kleider aus zweiter, dritter, vierter Hand, waren durchweg schmutzig, hungrig und hatten nie eine Schule von innen gesehen. Und niemanden kümmerte es.
Jack beobachtete, wie er sich durch den üblichen Verkehrsstau schlängelte, den inneren Gehweg erreichte und nonchalant zur Treppe schlenderte. Er zeigte keinerlei Nervosität, stieg seelenruhig die zwölf Stufen hinauf, dabei warf er einen Handball gegen den Sockel.
Als der Ball zurückprallte, fing er ihn auf, sprang plötzlich hoch, schnappte etwas, das oben lag, eilte in wenigen Sätzen die Stufen wieder hinunter und stürmte los wie von Furien gehetzt. Er lief, als wäre der Ramses-Platz ein Fußballfeld und er hätte freie Bahn zum gegnerischen Tor. Auf der Straße wand er sich aalgleich durch ein Knäuel aus Autos, Mopeds und Motorrädern, sprintete dann in Richtung des Bahnhofs, wo er in der Menschenmenge davor verschwand.
Jack hielt den Platz um die Statue unter Beobachtung, ließ das Fernglas hin und her wandern, studierte jede Person, die in sein Blickfeld geriet, rechnete die ganze Zeit damit, dass jemand die Verfolgung des Jungen aufnahm. Aberniemand machte entsprechende Anstalten. Weder im Umfeld der Statue, noch auf der anderen Seite, wo Darsch so geschickt untergetaucht war.
Er legte das Fernglas hin und rief Dschamila an.
»Ich denke, Merkur ist in Sicherheit. Gehen wir zum Treffpunkt, bevor jemand anfängt, nach ihm zu suchen.«
Dschamila stand am Eingang des Hotels, als er herauskam. Er hatte immer noch die Tasche bei sich, aber allmählich wünschte er sich einen Platz, an dem er sie deponieren konnte.
Darsch sollte nicht am Bahnhof auf sie warten. Er hatte nur die Menschenmenge benutzt, um die Verfolger abzuschütteln. Vom Bahnhof aus war er auf dem Umweg über die Ostseite des Platzes in den Rücken der Statue zurückgekehrt und gemächlich die Kamil-Sidqi-Pascha hinuntergetrabt, eine Straße, die vom hinteren Ende des Ramses-Platzes ausgehend zwischen dem Chramra-Bezirk im Norden und Bab al-Scharija im Süden hindurchführte. Er fand das Café, das Jack ihm genannt und beschrieben hatte, und ging hinein. Der Wirt funkelte ihn an und machte Miene, ihn hinauszuwerfen, aber Darsch zeigte das Geld vor, das Jack ihm gegeben hatte. Er setzte sich an einen Tisch am Fenster und bestellte eine Cola.
Das Café lag in dem billigen Touristenviertel, das mit Jugendherbergen, Hotels der unteren Preiskategorie und ebensolchen Speiselokalen Anlaufpunkt war für die Heerscharen von Studenten und Backpackern, die mit wenig Geld in der Tasche und leerem Magen in die Stadt einfielen. Jack war oft in dieser Gegend gewesen, als ortskundiger Helfer ausländischer Studenten, die kamen, um ein Jahr oder so an der Amerikanischen Universität zu verbringen. Er hatte Darsch aufgetragen, nach dem Semiramis Café zu suchen und dort auf ihn und Dschamila zu warten.
Sie kamen zu Fuß. Ein Taxi wäre nur im Verkehrschaos steckengeblieben, und sie hätten für die kurze Strecke eine Ewigkeit gebraucht. Darsch war mittlerweile bei seiner vierten Cola angelangt. Er saugte die schwarze Flüssigkeit durch einen Strohhalm, der im Lauf der Jahre in vielen Mündern gewesen war. In seinem ganzen bisherigen Leben hatte er nicht so viel Limonade getrunken und seine Eingeweide meldeten Protest an.
Während Dschamila draußen stand und Wache hielt –
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